17.04.05 – Flyer gegen Europaveranstaltung


Gegen die Illusion eines „sozialen Europas“

Grundsätzlich ist man dafür. Europa gibt schließlich so ein gutes Gemeinschafts-gefühl und irgendwie gibt es ja da dann auch sogar ein ?besseres Deutschland?. Aber irgendwie kritisch will man hier heute auch sein. „Gerecht“, „modern“, „nachhaltig“ und ? natürlich ? „tolerant“ soll Europa sein bzw. zumindest werden. Schließlich ist noch nicht alles ganz perfekt, wofür die ?Linken? mit notorisch gutem Gewissen dann z.B. die Grünen, oder die PDS oder ATTAC oder die
Gewerkschaften oder… bräuchten um alles noch ein wenig besser zu machen. Doch das ist nicht nur das übliche nervtötende Wahlkampfgelaber, es ist darüber hinaus schlichte Heuchelei. Europa ist schließlich weder „tolerant“ noch „gerecht“, sondern wie eh und je ein Projekt zur Unterordnung der einzelnen Menschen unter ein ? nur modernisiertes ? nationales Kollektiv und die Anforderung der kapitalistischen Verwertbarkeit. Da hilft auch keine noch so ?gute Verfassung?. Es gibt also auf dieser Grundlage nichts zu diskutieren. Und mit Leuten von Parteien wie den Grünen, die für die rassistische Einwanderungspolitik und globale Militäreinsätze mitverant-wortlich sind schon mal gar nicht. Und auch nicht mit Leuten von der PDS, die sich nicht einmal zu blöd sind mit neonationalistischen Plakaten, die sich ?um unser? Land statt um die einzelnen Menschen sorgen, hausieren zu gehen. Schließlich läuft schon die Vorstellung man bräuchte ein ?starkes Europa?, das weltpolitisch sozial und friedlich wirke jeder kapitalistischen Logik entgegen. Ein starkes Europa braucht eben im Kapitalismus ? allen Verschwörungstheorien zum Trotz ? eine starke Armee, minimale Sozial-leistungen und einen ausufernden Sicherheitsapparat. Es ist also an der Zeit, die Illusion aufzugeben, dass das Mitmachen am Projekt Europa irgendetwas positives für eine menschliche Gesellschaft bringen könnte.

Festung Europa
Die Vorstellung einer „freieren Gesell-schaft“, welche Grüne und PDS plus bewegtem Anhang ja angeblich mal vertreten sollen, ist in der abgeschotteten Festung Europa zu sich selbst gekommen. Die angebliche „Toleranz“ Europas erweist sich anhand tausender Abschiebungen jedes Jahr und hunderter Tote an den Außengrenzen der EU als pure Ideologie. Menschen, die ökonomisch nicht verwertbar sind werden nach wie vor nach rassistischen Kriterien aussortiert, inhaftiert und oft mit Gewalt ins Elend zurück geschickt. Die Harmonisierung der sogenannten Einwanderungspolitik
bedeutet dabei nur die systematische Ausgrenzung im europäischen Maßstab. Die innerhalb der EU gepriesene „Reisefreiheit“ ist in diesem Zusammenhang nur zynisch zu verstehen, schließlich dürfen beispiels-weise Asylbewerber aufgrund der sogenannten Residenzpflicht ohne Erlaubnis nicht einmal ihren Landkreis verlassen. Passend dazu wird im Zuge der „Terrorbekämpfung“ auch
im Innern die Überwachung von Systemkritikern europaweit koordiniert. Mit immer neuen
„Sicherheitspakten“ wird grundlegende Gesellschaftskritik in die Nähe des Terrorismus gerückt und diffamiert, wodurch politische und soziale Konflikte kriminalisiert werden.

Heimat – Standort – Vaterland Europa

Auch hinter dem kosmopolitischen Schein der EU verbirgt sich nur moderner Standortnationalismus. Anstatt des etwas verstaubten „doitschen Vaterlandes“ sollen nun alle Menschen Abstriche zugunsten des europäischen Standorts machen ? und PDS und Grüne applaudieren ganz sachlich. Den als „Sachzwänge“ verklärten kapitalistischen Notwendigkeiten folgend werden die letzten Sozialen Rechte und Sicherheiten zerschlagen um den europäischen Standort fit für den globalen Wettbewerb zu machen. Statt der durch technischen Fortschritt geschaffenen Möglichkeit von Luxus für alle Rechnung zu tragen, werden die „überflüssig“ gewordenen Menschen gezwungen zu Niedriglöhnen und „sozialpartnerschaftlich“ abgesichert für den Standort zu (lohn-)arbeiten. Nur im Gewand der europäischen Großmacht können schließlich die deutschen Interessen im Weltmaßstab durchgesetzt werden. Da interessiert es wenig, dass dies für viele Menschen zunehmend unerträgliche Lebensbedingungen mit sich bringt. Wer vom nationalen Kollektiv spricht, der schweigt schließlich vom einzelnen Menschen. Eine „europäische Identität“ als Sinnstiftung im „falschen Ganzen“ (Adorno) ist also keine fortschrittliche Antwort auf die realen Probleme der kapitalistischen Gesell-schaft, sondern überdeckt die gesell-schaftlichen Widersprüche und schließt immer nur wieder Menschen aus, die eben nicht dazugehören (sollen). Eine „bessere Welt“ ist folglich nicht über ein „besseres Deutschland“ in einem „sozialeren Europa“, sondern nur gegen die identitäre Zuordnung der Menschen zum jeweiligen nationalen Standort möglich.

Böses Amerika vs. gutes Europa ?
Während Deutschland, Europa und damit die hier zu Teilen versammelte ?Zivilgesellschaft? mit dem Kosovo Krieg 1999 noch so unmenschlich wie anschaulich gezeigt haben, dass Krieg im Kapitalismus zum Staat machen dazugehört, präsentierte man sich anlässlich des Irakkriegs auf dem „deutschen Weg“ (G. Schröder) plötzlich als „Friedensmacht“. Nicht zuletzt auch deswegen eine Lüge, weil über die Europäisierung der deutschen Geschichte mit der Verdrehung, dass Deutschland auch noch „nicht trotz, sondern wegen Auschwitz“ (J. Fischer) Krieg führen dürfe, der Weg für ständig neue Militäreinsätze geebnet ist. Dies schlägt sich auch in der Aufrüstung der EU nieder.
Trotzdem wird das ideologische Konstrukt eines „old europe“ als konkurrierende, aber angeblich „zivile“ Weltmacht gegen die USA in Stellung gebracht. Weil nicht versteht, wer nicht verstehen will halluziniert man sich die USA als verantwortlich für die Unbillen des Kapitalismus und fordert gleichzeitig seinen „Platz an der Sonne“ ein. Schließlich will man Zitat PDS ?nicht im Schatten der USA? stehen, sondern selbst stärker in der neuen Weltordnung mitmischen können.

What is left ?
Eine Linke, die sich noch ernst nimmt, sollte sich nicht weiter mit alten Parolen und Mythen selbst dumm machen. Wem an einer menschlichen Zukunft für alle Menschen gelegen ist, der kann die Frage nach einem positiven Bezug auf das Projekt Europa also nur mit einem klaren Nein beantworten. Schließlich sind rassistische Ausgrenzung und Standortnationalismus, „Deutschland“ und „Europa“ der „Ersatz für den Traum, dass die Menschheit die Welt menschlich einrichte“ (Adorno). Ziel der Linken sollte es sein diesen Ersatz überflüssig zu machen, anstatt die Verhältnisse sozialpartnerschaftlich und ideologisch abzusichern. Das kann praktisch nur heißen, den gesellschaftlichen „Konsens“ zu durchkreuzen und gegen kapitalistische Konkurrenz und nationales Kollektiv Selbstorganisation und globale Solidarität zu setzen. Nicht zuletzt also
auch den Sachverwaltern der europäischen Großmacht Ambitionen wie es die angeblich so „kritischen“ Grünen, PDSler, etc. sind, das Leben so schwer wie möglich zu machen. Anstatt also die kapitalistischen Scheißverhältnisse zu verklären, sich bei den Sachverwaltern des nationalen Standortes einzuschleimen und sich dabei dann auch noch gesellschaftskritisch vorzukommen sollten Linke beherzigen, was manche schon vor fast hundert Jahren wussten: Der Hauptfeind ist das eigene Land.

 

Links ist da wo keine Heimat ist ? Fight ?Old Europe?!