20.03.04 – Auflösungserklärung der antifa hg


Die antifa Bad Homburg hat sich aufgelöst. Weiter geht es als autonome antifa [f]. Die neue/alte Adresse ist www.autonome-antifa.com bzw. im Moment noch www.frankfurt.antifa.net . Alte Beiträge der antifa hg sind unter www.antifa-rockers.de zu finden. Wichtige Termine für alle Linksradikalen sind der 2. und 3. April in Frankfurt.

Eine Einschätzung der Aktivitäten der letzten Jahre, sowie eine inhaltliche Stellungnahme zu „zentralen Aspekten“ linksradikaler Bewegung findet sich in der Auflösungserklärung.

Alles was ein Ende hat, hat auch einen Anfang…

„Wir sagen Dankeschön, an alle Leute um uns rum!“ (Beginner)

Die antifa Bad Homburg war in Klausur und hat entschieden – sich mit sofortiger Wirkung aufzulösen. Damit haben über 3 Jahre linksradikalen Engagements und der Versuch trouble ins ruhige Hinterland zu bringen unter dem Label antifa hg ein Ende gefunden.

Da die Weltrevolution jedoch vorläufig noch nicht stattgefunden hat, wird das Projekt „alle Verhältnisse umzuwerfen….“ (K. Marx) in einem größeren Rahmen unter dem Namen „autonome antifa [f]“ weitergeführt. Die Auflösung der antifa hg ist in diesem Sinne nur eine geschlossene Umstrukturierung, die eine Intensivierung linksradikaler Politik im Rhein-Main-Gebiet und darüber hinaus zur Folge haben soll. Dementsprechend bedeutet das Ende der antifa hg keine Ruhe für den Hochtaunuskreis und sicherlich keine Langeweile für den (Bad Homburger) Staatsschutz. Alles wird größer und besser.

Da wir in den letzten Jahren die linksradikale Praxis im Rhein-Main-Gebiet und darüber hinaus mitgestaltet haben, nutzen wir die Gelegenheit, um die Ereignisse der letzten Jahre ein wenig Revue passieren zu lassen und zu zentralen Aspekten linksradikaler Bewegung Stellung zu nehmen.

Nicht zuletzt wollen wir diese Gelegenheit auch nutzen, um uns hiermit mal in der Öffentlichkeit, ganz unsentimental, bei all jenen zu bedanken, die linke Strukturen aufrecht erhalten, die uns in einer Vielzahl von Situationen auf die eine oder andere Art und Weise unterstützt haben, die uns mit Rat, Tat und Kritik zur Seite stehen, und natürlich auch bei eher bedeckten Sympathisanten: Also bei all jenen, ohne die kein trouble im Hinterland der Heimatfront möglich gewesen wäre, noch je sein wird. Danke.

Bleibt in der Einleitung nur noch auf die neue/alte Internetseite www.autonome-antifa.com hinzuweisen und ein erfolgreiches Jahr 2004 zu wünschen.

Viel Getan – Viel zu Tun

Nach drei Jahren linksradikaler Aktivitäten als antifa hg kann sicherlich eins als Erfolg gewertet werden: Es ist gelungen in einer Situation des relativen Verfalls und der Spaltung der Linken in der, aus linksradikaler Sicht, eher strukturarmen Umgebung des Taunus kontinuierlich zu arbeiten und verbindliche Strukturen zu schaffen, ohne dabei ihnhaltlich auf halbem Wege stehen zu bleiben oder als Kleinstgruppe zu enden. Von einer „linksradikalen Erfolgsgeschichte“ kann natürlich trotzdem keine Rede sein – zu begrenzt ist der Wirkunsgrad, zu oft beschränkte sich unsere Rolle auf das Kommentieren selbst lokaler Entwicklungen.

Für ein wenig trouble an der Heimatfront konnten wir, auch aufgrund tatkräftiger Unterstützung, dennoch sorgen. Von kleineren Aktionen wie Besetzungen und die Störung von Veranstaltungen so illustrer Gestalten wie Roland Koch und Scharping über gesellschaftskritische Informationsarbeit, Konzerte und die obligatorischen Parties bis zu größeren Mobilisierungen wie verschiedenste Demos und die Beteiligung an überregionalen Kampagnen reichte die Bandbreite des Engagements.

Einen wichtigen Stellenwert nahm und nimmt dabei die Pressearbeit ein – die es, zumindest im lokalen Rahmen, ermöglicht eigene Positionen in die Öffentlichkeit zu tragen und über die eigenen Symphatisantenkreise hinaus wahrnehmbar zu sein. Allerdings ist auch die engagierteste Pressearbeit keine Garantie für objektive Berichterstattung. So wusste beispielsweise das HR-Fernsehen anlässlich der Gegenaktionen zum hessischen Landesparteitag der Republikaner in Bad Homburg im März 2003 wegen einiger Rangeleien und Eierwürfe von „Ausschreitungen“ zu berichten, während die militanten Aktionen am Rande der Demo zum „Tag der deutschen Einheit“ zum größten Teil selbst von den lokalen Zeitungen verschwiegen wurde. Berichterstattung ist eben auch politisches Kalkül.

„don’t worry about the law, they can’t arrest us all“ (bubbaa sparxxx)

Wie es sich für eine linksradikale Gruppe gehört, waren wir von Anfang an mit dem wachsenden Interesse der staatlichen Verfolgungsbehörden konfrontiert. Ungeachtet der relativen Bedeutungslosigkeit der Linken in der BRD haben die Sicherheistbehörden nichts von ihrem Jagdfieber eingebüßt. Niemand sollte ja vom Staat erwarten, ungestört gegen ihn sein zu können.

Diese Realität muss nicht nur fundamentaler Kritik zugrunde liegen, sondern gerade von jedem Menschen persönlich begriffen werden, der mit dem Bewusstsein lebt, diese Kritik leisten zu müssen.

So sehr mensch sich also nun den Kopf darüber zerbrechen kann, warum die bürgerlichen Grundrechte zunehmend abgebaut werden und für welche Planstellenerhaltung beispielsweise der Verfassungsschutz ständig die Mücke zum Elefanten macht, so sehr stellte sich zunächst einmal die Frage nach dem Umgang mit Repression. Schließlich waren Hausdurchsuchungen, Einschüchterungsversuche, zahlreiche Ermittlungsverfahren, Ausreiseverbote, Vorladungen, Überwachung von Internetverbindung und Telefon, Demonstrationsverbot, etc…. keine abstrakten, sondern äußerst konkrete Probleme für uns.

Als richtig hat sich die Skandalisierung und das öffentlich machen der staatlichen Kriminalisierungsversuche herausgestellt. Wobei die Einbeziehung bürgerlicher Bündnispartner nach wie vor eine wichtige Rolle spielt.

So traute sich beispielsweise die Stadt Bad Homburg nach dem fehlgeschlagenen Demo-Verbot 2001 und der damit einhergehenden Blamage 1* zurecht bis heute nicht mehr, Demos zu verbieten.

Trotzdem ist es den staatlichen Stellen bedauerlicherweise hin und wieder auch gelungen, uns zu ärgern. Zwar ist bisher jedes Ermittlungsverfahren im Sande verlaufen, doch Repression bindet Kapazitäten und behindert ganz einfach Aktivitäten.

So ging der 1. Mai 2003 klar an „team green“, als ein Großaufgebot der Polizei mit Straßensperren, Kontrollen und Platzverweisen viele Linksradikale am Erreichen der Schröder-Veranstaltung im Hessenpark hinderte und damit eine Kritik, die über „Lohnfortzahlung im Krankheitsfall!“ hinausgeht, unterband. Auch bei der Großdemo „gegen Sozialabbau“ im November in Wiesbaden unterband die Polizei einen Punktsieg von Linksaußen. Wichtig dabei ist jedoch, dass die Bedingung für die seltenen Erfolge der Repression immer die Unflexibilität, Unkoordiniertheit und fehlende Verbindlichkeit der einzelnen Leute war. Diese / Wir haben es bei den betreffenden Aktionen verpasst, unser Konzept anzupassen bzw. die Reaktion des Staates unterschätzt. Kritik – auch gerade an eigenen Aktionen – ist im Bezug darauf übrigens nichts, was mensch nur händeringend zugeben oder zwanghaft betreiben müsste, sondern, auch das banal, nicht wegzudenkender Bestandteil.

Ein offener und offensiver Umgang mit Repression ist notwendig. Ohne Sicherheitsmaßnahmen zu vernachlässigen, darf sich die Linke nicht in die Rolle der „Extremisten“ drängen lassen. Vielmehr muss auf der emanzipatorischen Selbstverständlichkeit bestanden werden, dass der Kapitalismus mitsamt dem Rest abgeschafft gehört und wir uns die Mittel dafür von niemanden diktieren lassen werden. Gegen die herrschende Entpolitisierung ist es schon als notwendiger Erfolg zu begreifen, wenn die Kriminalisierung gesellschaftlicher Konflikte zurück gedrängt wird. Das Wissen um die Tatsache, dass die Antwort dieses Systems auf den Umsturz „nicht in der Wissenschaft, sondern im Strafgesetzbuch zu finden ist“ (Agnoli) darf nicht dazu führen, sich auch noch damit zu identifizieren. Schließlich ist, den Staat als Feind zu haben, nicht der Zweck der Linken, sondern die Folge der grundlegenden Kritik kapitalistischer Verhältnisse. „In der Gesellschaft“ (antifa k) – gegen die Gesellscha! ft. Und aus den Bullen von heute, werden die Gefangenen von Morgen. 2*

Andere über uns: siehe Verfassungsschutzbericht Hessen 2002

Der Kampf ums Ganze ist der Kampf ums Ganze

Waren wir vor drei Jahren, noch jünger und unbedarfter, mit einem aus den Überresten der AA/BO-Inhalte zusammen gestückelten „Gründungspapier“ angetreten, um im kleinen Rahmen des nördlichen Frankfurter Umlandes über den revolutionären Antifaschismus „aufs Ganze zu gehen und das System zu kippen“, so ist die inhaltliche Weiterentwicklung auch in der hessischen Peripherie nicht spurlos vorbei gegangen. Trotzdem und gerade deswegen halten wir es, im Gegensatz zu vielen anderen linksradikalen Gruppen, weiterhin für sinnvoll (unter der Bedingung einer inhaltlichen Neubestimmung und Weiterentwicklung) linksradikale Bewegung als „autonome antifa“ zu organisieren.

Die antifa ist tot…

Einfach gemachter revolutionärer Antifaschismus erschwert radikale Gesellschaftskritik. Dem Kapitalismus seine ihm innewohnende, schlimmste Potenz (Faschismus) vorzuwerfen, um die Notwendigkeit seines Endes zu verdeutlichen, ist ein unnötiger Umweg, der mehr verschleiert als aufdeckt und inhaltliche Klärungen verhindert. Der Alltag ist beschissen genug, auch wenn es ohne Zweifel noch weit schlechter werden kann. Darüber hinaus ist das platte Verständnis des deutschen Nationalsozialismus als „Diktatur des Kapitals“ neben der Anbiederung an den (Linken) Stammtisch nur für weiteren Schwachsinn gut. So sehr die kapitalistische Vergesellschaftung mit ihrem Prinzip des survival of the fittest die Grundlage für den Nationalsozialismus bildet, so sehr basierte dieser nicht auf der Manipulation „von Oben“, sondern dem ideologischen Massenwahn der Einzelnen im nationalen Kollektiv.

Der vereinfachte Umweg über den Antifaschismus führt linksradikale Gesellschaftskritik also entweder über die Gleichsetzung von kapitalistischer und faschistischer bzw. nationalsozialistischer Barbarei zur Verharmlosung der Letzteren oder zu Linksradikalen, die im schlimmsten Fall Standortpflege betreiben und in Kleinstarbeit Deutschland vor seinen Nazis schützen. In diesem Sinne verstandener „revolutionärer Antifaschismus“ sollte eine emanzipatorische Linke getrost den Archiven überlassen.

… es lebe die antifa!

Trotzdem ist praktisches Anti-Nazi-Engagement ohne Zweifel eine Grundbedingung für radikale Gesellschaftskritik, wenn die Linke nicht in Zuständen enden will, wo mensch unbewaffnet weder den Müll rausbringen noch Kippen holen gehen kann.

Darüber hinaus wird mit dem Label antifa eine verbindliche Form der Organisierung der radikalen Linken verbunden, die inhaltlich wie praktisch aufs Ganze geht. Aus der Geschichte der antifa-Organisierung sollten dementsprechend Konsequenzen gezogen und darauf aufgebaut werden. Zusätzlich steht antifa auch dafür, im Zweifelsfall realen Veränderungen Vorrang vor internen Grabenkämpfen zu geben. Veränderung braucht mehr als beschriebenes Papier.

Dabei ist antifa nicht (mehr?) im Sinne eines „Volksfrontkonzeptes“ zu verstehen, das „alle gegen Nazis“ will.

Vielmehr verstehen wir antifa als die grundlegende linksradikale Organisierung, die auf der Seite der einzelnen Menschen – jenseits der „Massen“ – gegen alle ideologische Zwangs-Kollektive steht, egal ob diese völkisch, national, rassistisch, sexistisch, antisemitisch, sozialdarwinistisch, religiös oder sonst wie legitimiert sind. In diesem Sinne ist z.B. auch Islamismus ohne Frage „ein Fall für die antifa.“ 3*

„autonome“ beschreibt dabei nicht nur das Kapitel, unter dem wir uns im VS-Bericht wiederfinden wollen, sondern eher den Anspruch, eigene Verhaltensweisen und Organisationsformen alltäglich kritisch zu reflektieren und zu verändern. Dafür gilt nach wie vor: Brüche und Widersprüche deutlich machen, Diskussionen verbindlich führen, Fragen beantworten, Argumente begründen. Auch wenn es kein richtiges Leben im Falschen gibt, also doch darauf zu bestehen, dass es nie falsch ist, das Richtige zu tun, bzw. zu versuchen.

Das Glücksversprechen für den Menschen, die Selbstbestimmung des „Individuums“ ist nur gegen diese Gesellschaft einzulösen. Geschichte gegen Vergangenheit und Gegenwart durchzusetzen. Bei uns überwintert Emanzipation.

keep on burnin – cause the world keeps turning

„how do we dance when our earth is turning, how do we sleep while our beds are burning?“ ( Novaspace)
In den letzten Jahren hat sich bei vielen Linksradikalen eine Haltung durchgesetzt, die gesellschaftliche Entwicklungen wie z.B. den aktuellen Sozialabbau meist nur noch vermeintlich abgeklärt kommentiert und sich ansonsten internen Theorie-Diskussionen widmet. Einwände dagegen werden dabei oft als „Aktionismus“, „Theoriefeindlichkeit“ und/oder als „Revolutionsromantik“ abgetan. Dabei wird auf die „Systemimmanenz“ der gesellschaftlichen Entwicklung verwiesen und darauf bestanden, dass die Linke ja nun erst mal eine „ausgereifte“ Position finden müsse, bzw. aus Angst in Kontakt mit „verkürzten Analysen“ zu kommen, lieber nichts getan. Wer nix macht könne ja auch nix falsch machen. „Eine Möglichkeit, Niederlagen auszuhalten ist mit ihnen zu haushalten.“ (Bini Adamczak Diskus 2.03)

Nicht nur, dass mit dieser Herangehensweise übersehen wird, dass auch Praxis nach Vorne weisen kann, da die Kritik der Realität ihre Wahrheit nur in der Wirklichkeit finden kann. Auch steht etwas tun schließlich in keinem logischen Widerspruch zum darüber reflektieren. Einer Dogmatisierung der Theorie also genauso eine Absage zu erteilen ist wie einer schlechten, d.h. reflexionslosen (theoriefeindlichen) „Pragmatisierung“ der Praxis. Nicht nur muss bekanntlich die Wirklichkeit zum Gedanken drängen, sondern auch der Gedanke selbst zu Verwirklichung.

Die oben genannten Vorstellungen basieren außerdem auf der irrigen Annahme, dass die Gesellschaft ein starres Gebilde sei, in der sich – da sich ja grundlegend nichts ändert (Kapitalismus) – also nichts ändert. Es demzufolge keine Notwendigkeit gibt, sich einzumischen, weil das mit Revolution ja im Moment eh nicht klappt. Dass sich die Geschäftsgrundlage der radikalen Linken dabei, u.a. durch Sozialabbau und den Ausbau der sog. Sicherheitsgesetze, konstant verschlechtert, interessiert nicht.

Doch so, wie schon Horkheimer wusste, dass diejenigen, die behaupten, man könne entweder ganz oder gar nicht helfen ihre Unmenschlichkeit rationalisieren, so steckt hinter der Absage an jede grundlegende Veränderung im Hier und Jetzt, die Absage an jede Veränderung irgendwann und damit das abgeklärte Einrichten in der eigenen Bedeutungslosigkeit. Auch ein Hinweis darauf, dass eine bestimmte Art von Systemkritik durchaus systemfunktional sein kann, nämlich jene, die überhaupt nicht mehr den Anspruch verfolgt, „praktisch“ zu werden. Wenig überraschend, dass mensch sich dann – wenn überhaupt noch- Themen widmet, die Widerhall auf den Feulliton-Seiten von FAZ und Frankfurter Rundschau finden, also relativ bedeutungslos sind, aber immerhin noch beeinflussbar erscheinen: Mensch hält trotz der angeblichen Abneigung gegenüber der „Linken Familie“, die eigene Szene „sauber“, konzentriert sich auf (publizistische) Ideologie- und Kulturkritik und hält sich damit für den N! abel der Welt. Nicht das szeneinterne Diskussionen und z.B. die Kritik nationalistischer und/oder antiamerikanischer Inhalte in Kulturszene und Erinnerungspolitik nun nicht richtig und wichtig wären, doch die Focussierung darauf offenbart die eigene, alltägliche Hilflosigkeit. Ohnehin steht die Linke in ihrer Zersplitterung und Marginalisierung auch im Bezug auf diese Ideologiekritik auf verlorenem Posten, solange sie der gesellschaftlichen Entwicklung immer nur hinterher schlappt und sie (die Linke) aufgrund ihrer Unbedeutung nicht die Rolle des Kritikers ausfüllt, sondern im besten Falle noch als zahnloser „Mahner“ und „Bedenkenträger“ in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Der nötigen Kritik tut das keinen Gefallen. Wie wäre es z.B. mal mit realen Sozialabbau, der realen Formierung Europas? Ideologiekritik ohne die Kritik der materiellen und alltäglichen Grundlagen eben dieser Ideologien bleibt so buntes wie belangloses Beiwerk der falschen Gesellschaft.

enter the real world I

Je schwächer die radikale Linke wird, desto mehr ist zu beobachten, wie mensch sich an das hält, wo die Linke – um den Preis sich einreden zu müssen, irgendwie wichtig zu sein- überhaupt noch (einfach) vorkommen kann. Doch Feuilleton-Politik ist ein schlechter Ersatz für reale Veränderungen. In letzter Konsequenz bedeutet das dann dementsprechend auch anstatt der Gesellschaft, sich gegenseitig zu hauen – schließlich reagieren die anderen linken Gescheiterten wenigstens noch, wenn mensch sie piekst.

In diesem Zusammenhang hat sich sicherlich auch antifa, als Teilbereich, so lange gehalten, weil es einfacher war und ist, einen Naziaufmarsch zu verhindern, als beispielsweise die Gesundheitsrefom. Daraus folgt nun natürlich nicht, dass Naziaufmärsche nicht verhindert werden müssten, sondern vielmehr, dass die Linke aufs Ganze anlegen, strategisch vorgehen und damit endlich der gesellschaftlichen Realität Rechnung tragen muss: Also nicht nur rethorisch, sondern real ihre/unsere totale Marginalisierung anerkennen muss. 4*

Daraus muss zwangsläufig ein Ende, der inzwischen ans Ideologische grenzenden Fixierung aufs eigene Gewusel folgen. Was wiederum den Raum für ein Agieren, das über das lokale Kommentieren gesellschaftlicher Entwicklungen hinausreicht, öffnen könnte. Der Welt vorzuwerfen, das sie nicht so ist, wie mensch sie will, ist schließlich ziemlich einfallslos, so lange nicht versucht wird, daran aktiv etwas zu ändern,- nicht jeder Mensch ist, so banal es klingt, schließlich als Linksradikaler geboren. Dazu gehört dementsprechend, dass die Organisierung und Vernetzung der radikalen Linken wieder in Angriff zu nehmen ist. Schließlich bietet nur eine kontinuierliche Organisierung, die sich jenseits des Kleinsten gemeinsamen Nenners, aber auch jenseits linker Befindlichkeiten entwickelt, die Möglichkeit Konzepte zu entwickeln und (auch im größeren Rahmen z.B. in der Globalisierungsbewegung) umzusetzen (!), fragen zu beantworten und Diskussionen jenseits publizistischer Selbs! tvergewisserung und persönlicher Symphatien zu führen. Und nicht zuletzt muss die Linke auch deswegen ohnehin in größerem Rahmen gehen, weil auch der unmittelbare Feind (Deutschland, EU,Kapitalismus) im größeren Rahmen organisiert ist und, zugegebenermassen, äußerst kontinuierlich arbeitet. Sonst wird die Gelegenheit eine Rolle zu spielen immer wieder schon vorbei sein, bevor sie vorhanden war.

Statt psychotherapeutisch „den Pessimissmus (zu) organisieren“ (linke liste, Uni Frankfurt) ist und bleibt es die Aufgabe der Linken, immer wieder aufs Neue den Beweis zu erbringen, dass Geschichte, entgegen ihrem bisherigen Verlauf, machbar ist. Höchste Zeit für aktiven Postpessimismus.

Fragmente gegen die Ohnmacht

„Rhein-Main Gebiet – wohin ?“
Die radikale Linke im Rhein-Main-Gebiet verfügt, wie überall, weder über ein einheitliches Konzept noch werden die nötigen Diskussionen geführt. Die post-autonome Szene dümpelt so vor sich hin und selten bis nie gelingt es, wenigstens Akzente in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen zu setzen. Keinen Grund aber gibt es, dass die Ohnmacht für immer sein muss.

Mögliche, nicht unbedingt neue, Ansätze für die Zukunft wären:

– bestehende Strukturen wie das RM-Plenum, die Swing u.a. verstärkt zu Koordinierung aber auch gerade nötigen inhaltlichen Diskussionen von Gruppen bzw. Zusammenhängen zu nutzen

– Statt die eigene Bedeutungslosigkeit in anonymen Internetforen zu zelebrieren, Diskussionen verbindlich und real zuortbar führen.Wir beteiligen uns übrigens prinzipiel nicht an Internet „Diskussionen“. (In diesem Sinne ist die Schließung des Sinistra Forums der überfällige Schritt in die richtige Richtung.)

– sich inhaltlich wie praktisch von einer starren post-autonomen Teilbereichstrennung wie z.B. bei dem „Thema“ antifa /antira /antikapitalismus etc. zu lösen. Aktivitäten gemeinsam organisieren.

– jeweilige mögliche Ziele festlegen. Aktionen auswerten, (gemeinsam) kritisieren und nachbereiten.

Das Ende der Identifikation – ein Schwindel der keiner ist, ist keiner

In und durch die sogenannte Globalisierungsbewegung spiegelt sich exemplarisch die inhaltliche Zersplittertheit der radikalen Linken.

Grob vereinfacht: Die einen gehen überall mithin, weil sie eine Bewegung der Völker der Welt gegen eine US-geführte Globalisierung zu erkennen meinen (oder zumindest den Sozialstaat retten wollen), die anderen nutzen die Gelegenheit zur Randale und kümmern sich wenig um den Rest und die nächsten wissen, dass diese Bewegung den verlängerten Arm des „globalen Faschismus“ darstellt, leugnen teilweise sogar, dass sich überhaupt etwas verändert und haben in ihr (der Bewegung) einen neuen Hauptfeind gefunden. Wir finden das alles, mit verschiedenen Abstufungen, falsch.

Auf kapitalistischer Grundlage richtet sich die Gesellschaft zunehmend auf die globale Konkurrenz hin. Paralell dazu ist eine zunehmende Internationalisierung (Globalisierung) der wirtschaftlichen Organisation festzustellen. Dabei werden auch ehemals staatliche Ebenen dem Markt zugänglich gemacht. Daraus resultiert sowohl eine Privatisierung des gesellschaftlichen Elends als auch das hegemoniale Konzept eines bürgerlichen Kapitalismus demokratischer Ausprägung. Unterfüttert wird dies durch eine Verschärfung des ideologischen Bewusstseins, dass durch den zunehmenden Abbau aller Leistung, die die Gesellschaft dem/der Einzelnen zugesteht, eigentlich seine Vorraussetzungen überlebt hat. In diesem Zusammenhang ist auch die entpolitisierte Umwandlung ehemals klar definierter gesellschaftlicher Projekte – wie u.a. „Reformen“, die nicht mehr als Synonym für größere Wahlfreiheit und bessere Lebensbedingungen der einzelnen Menschen, sondern das Gegenteil stehen – zu begr! eifen. Im „Spiel ohne Grenzen“ um die Verwaltung dieser Welt steht ein ideologisches, religiös-völkisches motiviertes Projekt vermeintlich „gegen“ diesen, indem es die Verewigung des Schreckens in einer Art Elendskapitalismus propagiert (das Ende der Geschichte).

EU und USA rivalisieren zwar teilweise ebenfalls in der Frage nach dem Vorgehen (Irakkrieg) und in der ideologische Legitimation, tun dies jedoch in weit geringerem Massstab und ziehen als Sachverwalter des globalen Marktes im Zweifelsfall an einem Strang – auch ein Ende der Geschichte.

Die Aufgabe der radikalen Linken ist es im globalen Rahmen die Rolle des Spielverderbers zu übernehmen, eine grundlegende Herrschaftskritik stark zumachen und das „Ende der Geschichte“ zu durchbrechen. Hierzulande muss sie dafür den ideologischen Kitt der Gesellschaft, das europäisierte Deutschland bzw. die „Zivilmacht“ Europa, angreifen und auf die Notwendigkeit der globalen Überwindung des Kapitalismus verweisen.

Dafür muss sich eine emanzipatorische Linke, will sie Erfolg haben – zumindest perspektivisch, global vernetzen und dabei der Ungleichzeitigkeit der (gleichzeitig mit demselben gesellschaftlichen Prozess konfrontierten) Welt Rechnung tragen. Immerhin ist nicht vollkommen auszuschließen, dass auch mitteleuropäische Linksradikale im Bezug auf Umgangs- und Organisierungsweisen noch was lernen können.

Eine Gelegenheit überhaupt in Austausch miteinander zu kommen sind u.a. Gipfeltreffen als Symbole globaler Herrschaft. Diese zumindest ansatzweise durch praktisches Engagement delegitimiert zu haben, ist sicherlich ein Verdienst der radikalen Linken. 5* Dabei hat sie es jedoch versäumt, Strukturen zu schaffen, die jenseits der Events Kontinuität, Wahrnehmbarkeit, Vermittlung und inhaltliche Klärung gewährleisten können.

Der Verweis auf Verschwörungstheorien, Antisemitismus, Staatsgläubigkeit, Nationalismus und verkürzte, personalisierende Gesellschaftskritik ist im Bezug auf die Globalisierungsbewegung dabei so richtig, wie für sich genommen nichts sagend. Schließlich sind diese Ideologien in der gesamten Gesellschaft verbreitet und das Veränderung und Auseinandersetzungen den gesellschaftlichen Bodensatz anziehen wie das Licht die Motten, ist denn so neu auch nicht. Was sich bei den Events der Globalisierungskritiker zusammen findet ist nicht „die“ Bewegung, sondern eben ein, durch das unartikulierte Unbehagen am Kapitalismus gespeistes, Potpourrie aus unterschiedlichsten Ansätzen, Aktionsformen, Analysen, Erfahrung und Ressentiments. Der Versuch diese Realität in Taktik-Spielchen auf „die“, entweder gute oder böse, Bewegung als ganzes zurecht zu schneiden, haftet nicht ohne Grund der Kartoffelbrei-Geschmack von gefährlichen Idealisten an, denen es die Welt zu bunt treibt. Di! e teilweise als „Beweise“ angeführten, negativen Erfahrungen (z.B. aus Thessaloniki) sind ohne Zweifel richtig, wir haben jedoch auch anderes erlebt. Vorallem anderen weißt der Ablauf der letzten Proteste schließlich nur auf eins hin: die Notwendigkeit einer linksradikalen Koordination und Diskussion. Statt entweder hysterisches Bewegungsbashing oder idealisierenden Hype zu betreiben, wäre vielmehr eine Diskussion der global unterschiedlichen, im weitesten Sinne linksradikalen Inhalte, Ansätze und neuen gesellschaftlichen Entwicklungen, wie z.B. Zapatisten, „Opensource Bewegung“, etc…. zu leisten.

Die oft gestellte Frage ob und wie die Linke sich in „die“ Globalisierungsbewegung „einbringen“ soll, ist also falsch gestellt.

„Summer of resistance, so what?“ (Nasty)
Zur Deutlichmachung der grundlegenden Opposition zum Bestehenden gibt es kein Vorbei am globalen Widerstand gegen die kapitalistische Vergesellschaftung im Weltmaßstab und ihre ideolgische Rechtfertigung. Das im Rest „der“ (so ja gar nicht existierenden…) Bewegung grundlegend falsche Ansichten zu finden sind und demzufolge eine Identifikation mit „Ihr“ unmöglich ist, ändert daran nichts. Wir sind die Bewegung in Vertretung für uns selbst. Und mögliche Bündnisse müssen immer wieder von Fall zu Fall geprüft werden.

Zudem kann eine radikale Linke, wenn sie sich denn ernst nimmt, nicht hinter ihre eigene (jüngere) Geschichte – und deren Fehler und Niederlagen, deren Tote, Verletzte und Gefangenen – zurück. Da sind noch Rechnungen offen.

Das in der bürgerlichen Wahrnehmung das Besondere im Allgemeinen untergeht, sollte kein Grund für radikale Linke sein, die Fremdzuschreibungen auch noch zu übernehmen. Und das Warten auf bessere Zeiten in Form einer, mal wieder, „neuen Gegen-bewegung“ (BgR) kann nur vegebens sein. Wir haben Besseres zu tun.

Für die Zukunft rufen wir daher auch weiterhin dazu auf, die symbolischen Gipfeltreffen der Warenvergesellschaftung und „globalisierungskritischen“ Events, theorethisch wie praktisch, nachhaltig und kontinuierlich kritisch zu begleiten. Wenn das von Staat und Zivilgesellschaft inszenierte Spektakel, der öffentlichen Verhandlung der gesellschaftlichen Entwicklung stattfindet, muss die radikale Linke dabei sein.

Es ist also wichtig ebenso gegen die reaktionären Vorstellungen vorzugehen, die andere bei diesen Anlässen artikulieren, als auch die Gipfel ins Visier zu nehmen. Und ebenso jenseits davon im transnationalen Maßstab den Austausch, die Organisierung und Streit mit anderen Linksradikalen zu suchen. Dabei z.B. der Renaissance des platten,“linken“ Antiimperialismus eine klare Absage zu erteilen. Schließlich ist dieser – in Ermangelung grundsätzlicher Analysen – von einem ehemals politischen Konzept inzwischen für einige alt, aber auch jung, Linke zu Ideologie verwest ist, die hinter dem Kapitalismus als Ursache wahnhaft die USA und Israel sehen und mit ihrer Agitation im kleinen Maßstab auch nur der Legitimierung einer Vergrößerung des deutschen-europäischen Einflussbereichs bzw. religiösen Fundamentalisten zur Seite stehen. „Fremd“- um jeden Preis durch nationale Herrschaft ersetzen zu wollen, ist nicht emanzipatorisch.

Die Situation, dass es (vorläufig) weder hier noch im globalen Maßstab ein wirkungsmächtiges Projekt gibt, dem mensch sich aus emanzipatorischer Sicht so einfach anschließen könnte, muss ausgehalten werden. Nach wie vor gibt es nichts anzubieten, als das Bewusstsein des Ganzen als Falsches – „da stehen wir und wollen nicht anders.“ Für eine globale Bewegung linker Heimatloser. Her mit dem schönen Leben…

„Hey Kids, do you like violence ?“ (eminem)
Nicht zuletzt auch durch die Randale bei diversen Gipfelevents ist Militanz wieder ins Gespräch gekommen, die Diskussion darüber zieht sich jedoch ohnehin durch die linke Geschichte wie der besagte rote Faden. Als Gruppe, die ein offenes Verhältnis im Umgang mit Militanz vertreten hat, waren wir dementsprechend des öfteren mit Vorwürfen und Kritik konfrontiert.

Militanz beschreibt, im Gegensatz zum landläufigen Verständnis, dabei weit mehr als das Bild des vermummten Steinewerfers. Militanz bedeutet die bewusste Überschreitung gesetzter Grenzen (sei dies nun die Auseinandersetzung mit NeoNazis, die Besetzung eines Hauses, der kreative Besuch einer Veranstaltung oder kollektives Schwarzfahren, etc…).

Der Vorwurf „militantes Auftreten“ sei „mackerhaft“, „hooliganmäßig“ und auf die fehlende Reflexion der eigenen „patriachalen Verhaltensweisen“ zurückzuführen hat in diesem Zusammmenhang insoweit einen wahren Kern, als er auch daneben geht. Muss eigenes Verhalten und dessen Grundlagen generell immer im Focuss der Kritik stehen – was zugegebener Maßen oft mehr schlecht als recht klappt – so bedeutet „Emanzipation, Verhalten zu üben, das sich alle Möglichkeiten bewahrt – dominantes Auftreten genauso wie Einfühlung, offen gezeigte Schwäche wie Militanz.“ ( Konzept antifa) Da „die Geschichte der Linken zudem nie nur eine Frage der richtigen Standpunkte, sondern auch der Bereitschaft war, dass – was mensch für richtig hält – dann auch zu tun.“ (ebd.), ist es darüber hinaus entweder dumm oder verantwortungslos, sich dem Gang der Geschichte anzuvertrauen. „Möglichkeiten müssen organisiert und erlernt werden“ (Calvin u. Hobbes). Und die „Waffe der Kritik kann die Kritik der Waffe! n nicht ersetzen“ (K. Marx).

Ein weiterer Irrtum im Bezug auf Militanz kommt anlässlich der gewalttätigen Auseinandersetzungen bei Gipfeltreffen zu Tage. Aus dem Fakt, dass dabei von Protestlern häufig Konzerne, Banken und Luxusfilialen attackiert werden, folgern manche Beobachter glasklar, dass es sich um zivilisationsfeindlichen Hass und zumindest strukturelle Antisemiten handeln müsse.

Wir haben eine andere Interpretation anzubieten: Es gibt zwei unterscheidbare Ebenen von militanten Engagement. Auf der einen Seite der Versuch, unmittelbare Resultate bzw. sozialen Nutzen zu erzeugen (z.B. Auseinandertzungen mit Nazis, etc…. s.o.).

Auf der anderen Seite die, anlässlich der Gipfeltreffen, medial vermittelt und symbolisch inszenierte Absage an das ganze Falsche. „Reduziert vom authentischen Kampf zum gelungenen Marketing radikaler Kritik“. Hierbei geht es „allein um die Konfrontation mit der Staatsmacht, mit dem Ziel ihre bewaffneten Organe öffentlich zu demütigen. Eine im Steinhagel zurückweichende Polizeieinheit, wirksam qualmende Barrikaden, außer Gefecht gesetztes technisches Zeug der Polizei und der erfreulich dumpfe Laut, den Pflastersteine auf dem Blech der Einsatzfahrzeuge erzeugen – das zählt.“ (Bahamas Nr.35) Die Absage an die Herabwürdigung der Idee der Revolution für die bürgerliche, „berechtigte“ Anklage politischer Fehlentwicklungen – also des Missbrauchs des Traums von einer Sache zur Verfestigung des gesellschaftlichen Alptraums – zeigt die allgemeine und ungenaue Potenz, etwas bewegen zu können. Da der Riot an sich nur direkte Gewalt ist, frei von Emanzipation, kann er nur positiv sei! n, wenn er das Shuttle für radikale Gesellschaftskritik ist. Dazu muss die Gewalt bestimmten Maßstäben unterliegen, d.h. schlicht und ergreifend das Leid, welches über die Menschen gebracht wird, darf nicht zu groß sein. Eine Linke, die sich sonnt in der Zerstörung der kleinen Schätze der im Stadtteil wohnenden oder in schweren Körperverletzungen wird das emanzipatorische Ziel -ausnahmsweise zurecht- von der Öffentlichkeit abgesprochen.

Wenn also die gewählten Ziele Konzerne, Banken u.ä. sind, so spricht das vielleicht weniger für die Zivilisationsfeindlichkeit oder das antisemitische Weltbild der Aktivisten, als für Aktionen, die – paradoxerweise – Schaden anrichten wollen, ohne jemanden direkt zu schaden. Dass bei den Riots sicherlich auch trotzdem Leute mit den obskursten Vorstellungen teilnehmen, beweist dabei nur eins: Der Riot ist so gut, wie die Gesellschaftskritik im besten Sinne emanzipatorisch ist, die hinter ihm erscheint. Und wenns net rockt, isses eben für’n Arsch.

Die Linke und die Gretchenfrage

„Jeder Mensch hat eine Leber, eine Milz, eine Lunge und eine Fahne. Alle vier sind Lebenswichtig. Dabei gibt es Menschen mit nur einem Lungenflügel und einer kaputten Leber, doch Menschen ohne Fahne – die gibt es nicht.“ (Tucholsky)
Die radikale Linke steht vor der neuen Weltordnung wie der sprichwörtliche Ochs vorm Berg. Angesichts der totalen Marginalisierung emanzipatorischer Positionen im Weltmaßstab und der zunehmenden Komplexität globaler gesellschaftlicher Prozesse ist die Verwirung groß. Historisch begründeter Dreh-und Angelpunkt der daraus folgenden Auseinandersetzung ist der Nahost-Konflikt und die Grechtchenfrage nach einer Solidarität mit Israel. Projektionen und Stellvertreter-Auseinandersetzungen sind in der, scheinbar zwischen „antideutschen und antiimps“ gespaltenen, Linken „in“. Je größer die Ohmacht der Linken, desto härter wird aufeinander (durchaus wörtlich) eingeprügelt.

Als Gruppe, die ihre Aktivitäten stets auf die Gesellschafts als falsches Ganzes richtete und richtet haben wir uns bewusst weitgehend aus innerlinken Stellvertreterkriegen heraus gehalten. „Diskussionen“, die entweder rein virtuell und/oder in Form einer Selbtsvergewisserung stattfinden, bieten schließlich keine Perspektive, sonder zelebrieren die eigene Bedeutungslosigkeit in Form von agressiver Hilflosigkeit – egal, ob sich diese handgreiflich oder verbal äußert.

Unser Nichtverhalten, dass also durch begrenzte Kapazitäten und die Ablehnung der dümmlichen Form der Auseinandersetzung begründet war, bedeutet jedoch nicht, dass es nichts dazu zu sagen gäbe und gibt.

Banaler Standard ist das Existenzrecht Israels hinter das es, auch aufgrund des weltweiten Antisemitismus, schlicht kein Zurück gibt. Banal jedoch auch, dass Israel nicht die befreite Gesellschaft ist und auch nicht sein kann. Daraus ergibt sich das unsere Solidarität immer den einzelnen Menschen und link(sradikal)en Zusammenhängen gilt, so marginalisiert diese auch sein mögen. Keinen Grund gibt es, der Linken anderswo, beispielsweise in Israel, Anweisungen zu erteilen. Zu den jeweiligen Nationalstaaten lässt sich nur sagen, was jeweils nicht für sie spricht. Das bedeutet, sich in Deutschland klar gegen „Israel-Kritik“ zu stellen, die den Holocaust bzw. „Nazi-Methoden“ mal eben nach Israel projeziert und darüber nicht zuletzt Deutschland entlasten will. Genauso gilt es natürlich, gegen antisemitische Verschwörungstheorien und Vorstellungen Stellung zu beziehen, die Auschwitz als Besserungsanstalt begreifen wollen. 6*

Dementsprechend kann es auch nicht sein, dass mensch sich rechtfertigen bzw. immer erstmal von irgenwelchen Zeitungsprojekten ( wie z.B. der Bahamas – einer Berliner Satire Zeitung) abgrenzen soll, bevor etwas gegen Antisemitismus unternomen werden kann.

Daneben ist jedoch auch jene „antideutsche Analyse“, die diese Gesellschaft und überhaupt die Welt als die selbe wie vor 60 Jahren begreifen will. Die sich darin (wie auch im platten Antimperialismus, s.o. ) offenbarende Unfähigkeit der Linken auf neue Entwicklungen anderes zu reagieren als diese mit alten Kategorien und Analysen passend zurecht zu schneiden, ist ägerlich. 7* Ägerlich auch, da neue Risiken, aber auch Chancen verpasst werden müssen.“Wer alles Erscheinende blank auf die Formel »alles schon dagewesen« abzieht, übt eben dadurch ein Gewaltregime der Kategorien aus, nur allzu nahe verwandt dem politischen.“ (Adorno)

Der Fakt, dass die radikale Linke in der Vergangenheit vor ihrer Aufgabe – Geschichte zu machen und nebenbei Auschwitz zu verhindern – versagt hat, ist nicht dadurch wieder gut zu machen, dass mensch um so wütender und hysterischer um sich schlägt. Die Toten werden nicht wieder lebendig.

enter the real world II

Generell muss die Linke von der stalinistischen Logik des Verdachts zurück auf eine vernünftige Ebene der Auseinandersetzung kommen. Ständig Leuten psychoanalytisch etwas zu unterstellen, sei dies nun Antisemitismus oder Kriegtstreiberei, was diese gar nicht gesagt und gemeint haben, ist wenig sinnvoll. Und Assoziationen sind keine Analysen. Es gilt was gesagt, bzw gefordert wird. Eine Diskussion, die auf dem gegenseitigen Austausch von Reizwörtern besteht, nach dem dann immer alles gesagt ist, verdient schließlich nicht mal diese Bezeichnung.

Um darüber Positionen auch weiterentwickeln zu können, muss jedoch gleichfalls eine deutliche Absage an eine verständnisheischende Kritikunfähigkeit formuliert werden. Eine wattierte Atmosphäre wie im Altersheim 8* verhindert den nötigen inhaltlichen Streit. Um diesen überhaupt führen zu können, muss der Umgang miteinander ebenfalls gewissen klaren Standarts genügen, d.h. dass sich unter anderem Gewalt innerhalb der Linken verbietet. Desweiteren ist es allerdings auch fraglich, inwieweit sogenannte Provokationen als „Diskus Interventionen“ sinnvoll sind, wenn sie immer nur dieselbe Reaktion provozieren, durch die sich die Provokation dann wiederum erst rechtfertigt – also Logik upside down.

Widersprüche müssen ausgehalten und auf einer höheren Ebene aufgehoben werden. Ständig mehr oder weniger spektakulär andere oder sich selbst aus „der“ Linken auszuschließen ist so langweilig wie sinnlos. Links im weitesten Sinne sind alle, die als Ziel haben „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein geknechtetes,. unterdrücktes, verlassenes, verächtliches Wesen ist.“ Diese Definition endet erst bei Queerfrontbetrebungen mit Gruppen und Menschen, welche dieses eherne Ziel offensichtlich nicht für sich reklamieren können. Das also dumme Positionen vertreten, die jeweilig falschen Fahnen getragen werden und/oder selbst gegen andere Linke Gewalt angewendet wird, zeigt – außer der deutlichen Schwierigkeit bzw. Unfähigkeit im Falschen etwas Richtiges zu tun – nichts.

Was die Gretchenfrage mit der (Israel) Fahne angeht, so ist die über Winkelemente symbolisierte Identifikation – die die Problematik verdeckt, dass es keinen „Hort der Emanzipation“ auf der Welt gibt, sondern dieser nur in der Verneinung des Bestehenden liegt – falsch. Kein Grund aber, andere Linke zu hauen. Egal ob in Frankfurt, Berlin oder Hamburg. „Simple as that.“

Die Revolution (wenn sie denn stattfindet) muss und wird die Linke immer noch selber machen. Dementsprechend sitzen wir in den innerlinken Grabenkämpfen da, wo eine emanzipatorische Position in dieser Gesellschaft hingehört – zwischen den Stühlen. Antifa statt nur dabei.

pushing things forward

„Es gibt keine Lösung, weil es kein Problem gibt.“ (Marcel Duchamp)
Täglich dem faktischen Argument ihrer eigenen Unerheblichkeit ausgeliefert, hat es eine radikale Linke bekanntlich ohnehin nicht leicht. Und auch für die Psyche der/des Einzelnen ist es keine wirklich einfache Sache. Schließlich ist das Scheitern der menschlichen Emanzipation nicht zuletzt auch immer das Scheitern der sich emanzipierenden Menschen. Verstärkt wird diese reale Ohnmacht jedoch noch durch die grandiose, in weiten Teilen der Linken verbreitete, Geschichtslosigkeit, die nicht selten den Zweck der gesamten Veranstaltung überhaupt in Vergessenheit geraten lässt. Nämlich den, dass es eben keine einfach Meinungs- oder Geschmackssache, sondern eben „der kleine Unterschied ums Ganze“ ist, ob mensch eine vernünftige und damit wirklich menschliche Gesellschaft oder das bereits Bestehende anvisiert bzw. als solch eine halluziniert.

So pathetisch und bisweilen lächerlich das Gerede von Revolution und Umwälzungen auch anmutet, so unverzichtbar und notwendig ist die dahinter zumindest aufscheinende Ahnung – dass es richtig bleibt von Geschichte auch da zu reden, wo keine statt findet.

Will die Linke gegen die falsche Kraft des Faktischen wieder in die Offensive kommen, so muss sie eine Revolution ins Rollen bringen, oder zumindest erst mal propagieren, die eine Revolution (als die Verhandlung einer ganz anderen Gesellschaft) überhaupt erst möglich macht (vergl. Subcommandante Marcos). Was nicht mehr und nicht weniger heißt, als bewusst und erklärtermaßen das Projekt des grundlegenden Umsturzes weiterzuführen. Nicht indem veraltete Konzepte und Mythen aus der Mottenkiste gekramt werden, sondern vielmehr in der – nach vorne gewandten – Auseinandersetzung mit den historischen Fehlern und Siegen der ganzen Linken, z. B. mit Klassenkampf und Organisierung bzw. Vernetzung auf der Höhe der Zeit. 9*

Eine freiere Gesellschaft als notwendiger Gegenentwurf zum Bestehenden ist dabei nicht mehr als den „Idealzustand“ zu denken, nach dem sich die Realität zu richten hat. Vielmehr ergibt sich die Kritik der Wirklichkeit aus deren eigenen, realen Möglichkeiten an Freiheit. Auch wo diese Möglichkeiten immer wieder ausgeschlagen werden, ist dementsprechend das Beharren darauf vernünftig. Und damit alle Aktivitäten für eine Welt, die als Bessere nur eine sich im ständigen Prozess befindende und damit grundsätzlich andere sein kann. Die als integrale Gesellschaft, die verschiedenen Herrschaftsmechanismen nicht in einem „Hauptwiderspruch“ auflöst, sondern in sich aufhebt. Die mit dem „realexistierende Sozialismus“ von DDR und Co. genauso wenig zu tun hat wie der der Fisch mit dem Fahrad. Eine also, in der endlich jeder/jede „ohne Angst verschieden sein kann“ – mit einem Wort: Kommunismus. Es bleibt realistisch, dass vermeintlich Unmögliche zu fordern. Zur Frage ob der Mensch nich! t doch noch das Subjekt seiner eigenen Geschichte wird, ist die Antwort schließlich noch lange nicht gesprochen.

Und bis dahin gilt, wie alle Tage, talking is over – let’s get down to business. In diesem Sinne:

support your local antifa – Für den Kommunismus !

aus den nebeligen Hügeln des hessischen Hochtaunus

antifa hg im Frühjahr 2004, www.antifa-hg.org

www.autonome-antifa.com

Anmerkung: 1* Im Mai 2001 versuchte die Stadt Bad Homburg eine Demo gegen Innenstadtvertreibung und Sicherheitsgesellschaft zu verbieten. Diese wurde jedoch innerhalb von 2 Tagen im Eilverfahren letztendlich juristisch durchgesetzt. Das die kleine Demo flankierende, vollkommen überzogene Aufgebot der Polizei mit Hundertschaften, Wasserwerfern und Räumpanzer im Kurpark führte auch in Medien und bürgerlichen Kreisen zu Irritationen.

2* Kurz nach der Gründung und den ersten Ermittlungen gegen uns kam nebenbei das direkte polizeiliche Gegenüber abhanden, da der lokale Staatsschutzchef, ein erwiesener Linkenhasser Information aus dem Polizeicomputer an eine private Detektei verkaufte und dafür erstmal promt in den Knast wanderte. Da sitzt er heute noch.

3* Siehe das sich in Arbeit befindende Positionspapier „Islamismus – Opium fürs Volk? Die Renaissance der Religion und warum das scheiße ist.“

4* Banales, wenn auch nicht ganz passendes Beispiel: Die größte, im weitesten Sinne linksradikale, über mehrere Monate laufende Mobilisierung im Rhein-Main-Gebiet brachte am 1. Mai 2001 circa 4000 Menschen auf die Beine. Die Silverster Party von „Planet Radio – Maximum Music“ 31.12.2003 wurde von über 20.000 Menschen besucht….

5* Trotzdem kann wohl kaum vom Ende des „Endes der Geschichte“ gesprochen werden – mensch beachte die offene Legitimation des aktuellen Sozialabbau mit „Sachzwängen“.

6* a la „gerade die Juden müssten doch wissen….“

7* Notwendigerweise Stellung gegen Antiamerikanismus zu beziehen, darf genauso wenig dazu führen, Entwicklungen in Amerika (z.B. den Abbau bürgerlicher Standards – siehe Guantanamo)zu igrnorieren, wie es überflüssig ist, sich selbst dumm zu machen, indem mensch beispeilsweise die weltpolitischen Kindergartenanalysen von Michael Moores nicht nur als die Scheiße kritisiert, die sie sind, sondern ihn auch noch als idealen Gesamtdeutschen outen muss.

8* „Kameradie, die die Menschen nicht bestätigt wo sie sich wehren, sondern wo sie wehrlos leiden – nichts wollen, nichts wissen, nichts können und nichts tun – ist grenzenlose Bereitschaft zu menschlichem Verständnis und schon daran zu kratzen, ist tabu. Diese „milde Rücksichtsnahme“ produziert eine Atmosphere wie im Altersheim. In solchermaßen wattiertem Verkehr kann sich kein Widerstand entwicklen, wird doch auch niemand wirklich ernst genommen.“ (Wolfgang Porth)

9* Lose Ideen, die u. U. umzusetzen wären, gibt es dafür schließlich genug: Schwarzfahrer Versicherungen, Aneignung öffentlichen Raumes, etc. ….