27.08.07 – Opernballnachbereitung 2007


 

Vorfeld

Im Vorfeld gab es mehrere Aufrufe: von uns, dem Bündnis, den Studierenden und der Jugendantifa. Leider wurde das Ziel einer breiten und offensiven Mobilisierung seitens des Bündnisses nicht erreicht. Die angedachte Beteiligung von z.B. Arbeitslosengruppen blieb komplett aus.
Wir organisierten mehrere Infoveranstaltungen zum Opernball in Frankfurt, Göttingen, Mannheim, Karlsruhe und Berlin, die mal mehr mal weniger gut besucht waren. Für nette Abwechslung im sonst doch eher grauen Stadtbild sorgten auch einige Sprühereien mit Bezug auf den Opernball.

Die Demo

Im Vergleich zum letzten Jahr machte die Polizei durch ein eher geringes Aufgebot direkt an der Demo auf sich aufmerksam. Jedoch waren die sehr hohe Dichte an Zivibullen innerhalb der Demo und die Hundertschaften im Bankenviertel und vor der Oper nicht zu übersehen. Die anfänglich weniger auf Repression setzende Polizeistrategie sollte wohl, im Rückblick auf das letzte Jahr, auf Deeskalation zielen. Jedoch trugen wahrscheinlich – neben einem gewissen Druck der Öffentlichkeit nach dem Aufgebot des letzten Jahres – auch vor allem die Anmeldung aus dem Studierenden-Spektrum, das offene Paradekonzept und die Mobilisierung von Seiten eines verhältnismäßig breiten Bündnisses dazu bei.
Dass durch die Form als Parade eine bessere Vermittlung der Inhalte zu einem aufgeschlosseneren Publikum stattfand (ein maßgebliches Argument aus dem Vorbereitungsbündnis für das Paradekonzept), konnten wir allerdings nicht beobachten.
Der Demozug setzte sich mit vier Wägen vom Untermainkai über das Bahnhofsviertel in Richtung Hauptwache in Bewegung. Die geplante Route verlief bis hierhin ohne größere Zwischenfälle, die unterschiedlichen Ansätze der verschiedenen Wägen kamen relativ gut zur Geltung. Negativ bleibt zu erwähnen, dass die einzelnen Redebeiträge an den jeweiligen Kundgebungsorten mal wieder zu leise waren.

3. Halbzeit…

Trug das Paradekonzept während der Demo noch zu einem weniger durch Repression von Seiten der Polizei gestörten Bild bei, zeigten sich nun seine praktischen Schwächen.
An der Hauptwache gab es einen ersten Ausbruchversuch in Richtung Zeil. Dieser verlief sich jedoch recht schnell, da sich der Rest der Demo mit dem Nachrücken viel Zeit lies und so schlichtweg zu wenig Leute vorhanden waren. Schade! Denn wäre die nicht besonders dichte Bullenreihe, die sich auf der Zeil etwas unsicher formierte, überrannt worden, hätte man in der Innenstadt sozusagen „freie Bahn“ gehabt.
Die unorganisierte Spitze der Demo entschied sich, auch als logische Konsequenz aus der Vorbereitungen – die ja in der Öffentlichkeit Oper als Ziel rausgegeben hatte – im Laufschritt in Richtung Fressgass zu ziehen. Wahrscheinlich hätte das – von allen im Vorbereitungskreis – besser kommuniziert werden müssen. Dass es in Richtung Fressgass nur so von Behelmten wimmelte war jedenfalls abzusehen.

Nach ein paar Flaschenwürfen versank jegliche organisatorische Struktur im Chaos und die Veranstalter lösten die Demo offiziell auf. Die Kommunikation unter den einzelnen Wägen, die schon während der ganzen Demo eher suboptimal verlief, funktionierte nun gar nicht mehr. So konnte das Folgende weder koordiniert noch einigermaßen positiv beeinflusst werden. Hier hätten im vorhinein sicherlich klarere Absprachen getroffen werden müssen. Auch wären Strategien einzelner, aktiver Gruppen sicherlich hilfreich gewesen, um das unkontrollierte Chaos, dessen Dynamik nun doch in Richtung Oper zog, zu strukturieren. Mit gezielteren Aktionen wäre sicherlich auch ein besserer Ausdruck möglich gewesen.

Trotzdem ist das, was nun passierte, als relativer Erfolg zu werten. Ging es z.B. bei den Studierendenprotesten im vergangenen Jahr eher darum, Katz und Maus mit den Bullen zu spielen, lief es nun auf eine klare Konfrontation hinaus. Es zeigte sich zwar relativ schnell, dass gegen die Masse an Polizisten nicht viel zu machen war, jedoch wurde deutlich, dass sich auch Teile der DemonstrantInnen in ihren Aktionsformen radikalisiert haben. Und schließlich passiert es nicht alle Tage, dass im Rhein-Main-Gebiet der Angriff von Polizisten (zumindest kurzzeitig) zurück geschlagen wird. Als Reaktion auf diese Auseinandersetzungen reagierte die Polizei mit über hundert wahllosen Festnahmen.
Das konnte allerdings nicht verhindern, dass sie im Laufe der Nacht an verschiedenen Stellen in der Stadt (besonders um den Uni-Campus Bockenheim) immer wieder angegriffen wurde. So wurde beispielsweise das Auto zweier Zivibullen mit Steinen, Bengalos und einer brennenden Mülltonne traktiert, ebenso die dortige Hundertschaft angegangen. Außerdem wurden an machen Stellen Krähenfüße gelegt, was nicht zuletzt den Opernball um einige Zeit verzögerte. Allerdings liefen auch einige einfach nur dumme Aktionen – den Feueralarm in einem Gebäude zu aktivieren, in dem gerade eine illegale Party stattfindet ist beispielsweise unverantwortlich.
Der EA, den die Studierenden gestellt hatten, funktionierte jedenfalls einwandfrei.

Presseecho

Das Presseecho fiel dieses Jahr in seiner Quantität etwas überraschend aus: Sowohl in allen regionalen, als auch in einigen überregionalen Zeitungen, fand die Demo – wohl vor allem wegen der spektakulären Bilder von „brennenden Barrikaden in der Frankfurter Innenstadt“ – ihre Beachtung. Doch im Vergleich zu den letzten Jahren war dies doch eher gering. Anscheinend gehört der Protest mittlerweile zum Opernball dazu – ein bisschen Spektakel am Rande des „Glamours“. Zum anderen fiel dieses Jahr die Konfrontation an der Alten Oper aus, man stand also nicht frontal vor den Kameras, es fehlte die nötige Präsenz. Inhaltliche Punkte tauchten dagegen wenig bis gar nicht auf, zumindest wurde aber der Bezug zum G8-Gipfel erwähnt.

In seiner Qualität bzw. mit seinen politischen Forderungen stach dagegen der Kommentar des FNP-Autors Georg Haupt unangenehm hervor. Wer wie er einen „sicheren Staat“ fordert, der angeblich gewalttätige Linke bereits vor einer Demonstration in sogenannten Unterbindungsgewahrsam nimmt erkennt nicht nur das Demonstrationsrecht ab, sondern setzt nur noch auf Repression statt auf inhaltliche Auseinandersetzung. Angesichts der momentanen Debatte über die „Innere Sicherheit“ eine Aussage, die die Linke nicht unbeachtet lassen sollte.

Gemeinschaft der Beleidigten?

In den letzten beiden Jahren ist durch unsere Aktionen zum Opernball deutlich geworden, dass dieses Event kontrovers und medienwirksam genug ist, sowohl in der linken als auch in der bürgerlichen Öffentlichkeit einige Resonanz zu finden. Auch das hat wohl dazu beigetragen, dass dieses Jahr gleich mehrere Gruppen ihr Interesse am Protest ankündigten. So bildeten das „Rhein-Main-Bündnis gegen den G8-Gipfel“ und die StudentInnen ein Vorbereitungsbündnis, um ihren Protest zum Opernball zu gestalten. Da auch wir dieses Jahr wieder unseren Teil zu diesem Event beitragen wollten schien uns eine Kooperation mit dem bereits bestehenden Vorbereitungskreis sinnvoll. Jedoch fiel die Zusammenarbeit schwer, da einerseits die Inhalte dieses Bündnisses teilweise diskussionswürdig waren, aber selbst die Diskussion um einen kleinen gemeinsamen Nenner schon so manchem Beteiligten den letzten Nerv raubten.
Andererseits waren die Vorstellungen, wie die Proteste auszusehen hätten, in welcher Form sie auftreten sollten, nicht wirklich unter einen Hut zu bekommen. So beschlossen wir, uns in den Kreis der Vorbereitenden einzuklinken und durch einen eigenen Aufruf und eigene Mobilisierung die Unterschiede deutlich zu machen. Dieses Verhalten wurde uns im Verlauf der Vorbereitungen als „arrogant“ angelastet, was die Zusammenarbeit nur weiter erschwerte. Besonders wurde uns angekreidet, dass wir in unserem Aufruf das linke Anti-Opernball-Bündnis als „unzufriedene Bürger“ bezeichnet hatten. Nun ist eine Stärke der undogmatischen Linken sicherlich gerade der Wettstreit unterschiedlicher Konzepte, die eine Wahrheit wurde schließlich noch nicht gefunden. Das funktioniert allerdings nur solange, wie es überhaupt inhaltliche Diskussion gibt. Wem zur – auch deutlichen – Kritik am eigenen Ansatz nur einfällt, dass das wahlweise eine „Unverschämtheit“ oder „Beleidigung“ ist, der tut sich als LinkeR selbst keinen Gefallen. Zumal wir nach so einigen Nettigkeiten in der Swing ja aus dem Beleidigtsein gar nicht mehr herraus kämen.
Grund genug jedenfalls noch mal etwas zu dieser Diskussion zu sagen.

Das Gegenteil von Gut ist gutgemeint…

Um Protest gegen die bestehenden Verhältnisse zu artikulieren ist es wichtig, mit den eigenen Forderungen den Rahmen eigener Vorstellungskraft und bisweilen auch den der gesetzten Legalität bewusst zu überschreiten und sich nicht einfach nur als Teil der betrogenen Masse im Selbstmitleid zu suhlen. Deshalb gilt es schon im vorhinein, seinen Standpunkt zu bestimmen, um als – eben radikale – Linke handlungsfähig zu sein und nicht in der Hektik des Dabeiseins im Zwangskonsens zu verweilen. Denn sonst ist es keine große Überraschung, wenn man sich früher oder später mit Bittstellungen an Vater Staat neben dem DGB wieder findet.
Eben so verhält es sich mit einigen Forderungen, die im Rahmen der Opernballmobilisierung gestellt wurden. Es mag aus einer linken Perspektive gute strategische Gründe geben, die Forderung nach gleichen globalen Rechten für alle auf die Tagesordnung zu setzen. Das ändert aber letztlich nichts daran, dass Rechte Attribute der bürgerlichen Gesellschaft sind, die durch das staatliche Gewaltmonopol durchgesetzt werden. Wenn der Doppelcharakter des Rechts – als erkämpft und staatsabwehrend und zugleich den kapitalistischen Tausch konstituierend – unterschlagen wird, gerät die Behauptung der Forderung nach globalen Rechten als „systemsprengend“ zur Phrase. Was bleibt ist ein politisches Konzept, dessen Annahmen einfach als Fakten behauptet und nicht ausgesprochen werden. Frei nach dem Motto: „Ich mache mir die Welt wie sie mir gefällt…“
Natürlich kann es nicht darum gehen, jemanden für die Forderung nach globalen Rechten oder sauberem Trinkwasser anzugreifen. Das tun wir auch nicht. Wir weisen lediglich darauf hin, dass diese Politik zwar die persönliche Situation einiger Einzelner verändert, jedoch in keinster Weise als Akt gegen den Kapitalismus verstanden werden kann. Bewegt man sich doch hier im allseits bekannten Gebilde – dem Staat und seinen Rechten – die man eben nicht einfach übers Ohr hauen kann. Den einzig sinnvollen Weg, etwas fundamental zu verändern, sehen wir nach wie vor in der bedingungslosen Kritik des Bestehenden. Dies mag zwar oft mühselig und manchmal auch kompliziert sein, jedoch sollte man nicht den Fehler machen zugunsten der eigenen Bequemlichkeit statt „trockener“ Kritik die vielleicht „einfachere“ Politik vorzuziehen. (Eine ausführlichere Darstellung zu diesem Thema lässt sich in unserem Aufruf zum Opernball 2007 nachlesen.)
Wer nicht darüber hinaus kommt, „die Leute da abzuholen, wo sie stehen“ trennt fataler Weise zwischen den kritisierten Verhältnissen – dem Kapitalismus – und den Menschen, die ihn ihm und mitihm leben. Mit dem ununterbrochenen Herunterbrechen seiner ach so revolutionären Ansprüche auf konkrete Dinge, mit denen sich die „Leute auf der Straße“ bzw. an der Hauptwache identifizieren können sollen, bleibt man zwangsläufig im Status quo verhaftet. Und ob – beispielsweise – das Forcieren von plattem Sozialneid ein aussichtsreicher Weg sein kann, bleibt doch fraglich da die Parole in Deutschland dazu nicht lautet „wir wollen (zunächst mal) das, was die haben“, sondern „wir wollen die (so) nicht haben“.
Mit den Leuten „da, wo sie stehen“ holt man sich eben vor allem schnell deren Standpunkt ab. Oder wie es mal Hans-Jürgen Krahl (der garantiert nicht aus Bad Homburg kommt) formuliert hat: „Die Anpassung ans falsche Bewusstsein hat dieses noch nie verändert“.

Mit gut gemeinten Vorstellungen ist diese Gesellschaft nicht zu verändern und dass das für ein emanzipatorisches Projekt auch nicht ungefährlich ist, hat spätestens die Entwicklung der 68er gezeigt. Insofern geht es nicht letztlich um graue Theorie oder bunte Praxis, sondern um eine Herangehensweise, die die eigene Theorie und Praxis reflektiert und keine selbstzufriedene Politik betreibt. Denn das Gegenteil von gut ist allzu oft gut gemeint und bis zum Ende der kapitalistischen Gesamtscheiße ist eben der bürgerlich, der Bürgerliches tut (oder fordert).

Noch ne Runde…

Übrigens: Dass in diesem Zusammenhang im autonomen Szeneblatt Swing unsere Forderung, sich öffentlich von rechten Formen des „Antikapitalismus“ und antisemitischen Stereotypen (siehe NPD-Aufruf zum 7.7.2007) abzugrenzen als „neoliberale Arroganz“ abgetan wurde spricht Bände. Wir kommen an dem Eindruck nicht vorbei, dass der ständige Verweis auf die angeblich falsche Form („der Ton macht die Musik“) vor allen Dingen eins ist: eine Strategie, inhaltlichen Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen um an veralteten Politikansätzen und identitären Analysen festhalten zu können. Dabei gibt es für Sensibilität diesen Dingen gegenüber auch naheliegendere Gründe als einen Bezug in einem NPD-Aufruf. So verkündete 2004 ein Transparent, mit dem Reichtum sei es wie mit dem Mist, auf einem Haufen stinke er, verteilt über das Land bringe er es zum blühen. Abgesehen davon, dass hier jegliches Denken über den Kapitalismus hinaus fehlt – prinzipiell kann unreflektierter Groll auf „die Reichen“ und Einsatz für „unser Land“ nicht Teil einer emanzipatorischen Perspektive sein. Dass man aber solchem Hass mit einer Mobilisierung zum Opernball zumindest relativ nahe kommen kann, sollte zur Kenntnis genommen und zur inhaltlichen Klärung genutzt werden.

Das unterkomplexe Denken in Klischees – zum einen eine Aufteilung in Beherrschte und Herrschende, zum anderen das Festhalten an einer „One Family“ der Betrogenen – zeugt von einer eher begrenzten Wahrnehmung von sich und der Gesellschaft. Inhaltliche, abgrenzende Forderungen per se als „Arroganz“ abzustempeln, lässt überdies die gemeinsame Arbeit schwer fallen und entspricht nicht unseren Ansprüchen an eine Diskussionskultur.
Wir haben weder die Antworten auf alle Fragen noch behaupten wir das. Wir sehen es aber nach wie vor als Aufgabe der radikalen Linken, zu sagen, was jeweils nicht dafür spricht – und somit auch auf die Grenzen des Reformismus hinzuweisen. Sollten wir uns damit täuschen, lassen wir uns gerne vom Gegenteil überzeugen. Bis dahin aber belebt Konkurrenz hoffentlich eher die Entwicklung der Linken im Rhein-Gebiet und uns geht es weiterhin ums Ganze.

Anstatt also den angeblichen Sektierern (hier: wir) bei abweichenden Meinungen oder Kritik immer sofort selbst mit Spaltung zu drohen, schlagen wir einen allseitig vernünftigeren und bedachteren Umgang vor. Nicht zuletzt, da den Schaden von einer weiteren Spaltung der Linken nicht wir und den Nutzen nicht andere Teile der Szene im Rhein-Main Gebiet haben.
Mensch würde wahrscheinlich gut daran tun, den eigenen Anspruch – dass es um gesellschaftliche Veränderung und nicht um die richtige Identität geht – etwas ernster zu nehmen. Ein Schritt dahin wäre endlich zur Kenntnis zu nehmen, dass relevante Teile der Linken inzwischen andere und berechtigte Konzepte verfolgen, die man zumindest ernsthaft diskutieren muss.

Fazit

Rückblickend auf die letzten drei Jahre, in denen wir uns mit dem Opernball auseinander setzten, lässt sich aus unserer Perspektive ein einigermaßen positives Fazit ziehen. Den Anspruch, diese symbolträchtigen Demos immer ausreichend inhaltlich zu fundieren, sehen wir als erfüllt an. Wir können von uns behaupten, uns mit jedem Aufruf und jeder Nachbereitung inhaltlich weiter entwickelt zu haben, was durchaus auch auf die mal mehr und mal weniger konstruktiven Auseinandersetzungen um dieses Ereignis herum zurückzuführen ist. Und dass mittlerweile bekannt ist, dass es bei den Opernball-Demos in Frankfurt auf jeden Fall immer „irgendwie knallt“ empfinden wir als eine nicht selbstverständliche, angenehme Tradition. Eine linksradikale Kritik hat sich auf nicht integrierbare Weise geäußert und so die abstrakte Forderung nach einer freien Gesellschaft mit der greifbaren Forderung nach „Luxus für alle“ auf verständliche Weise verbunden.

Dass es dabei – auch in diesem Jahr mit Parade – nie großen Zuspruch seitens der Passanten gab, ist für uns keine große Niederlage. Dass uns jedoch bisher vorgeworfen wurde, durch das „arrogante, abschreckende Auftreten der Antifa“ die umstehenden Leute vom Mitmachen abgehalten zu haben, ist dreist und verliert nicht nur dadurch die Grundlage, dass das Paradekonzept („dann kommen die Leute in Massen hinzu“) scheiterte. Die meisten Passanten bleiben nicht deshalb stehen, weil sie von Sonnenbrillen und Polizeihelmen abgeschreckt sind, sondern einfach – weil sie keinen Bock haben.
„Die Leute“ sind Lichtjahre davon entfernt, auch nur teilweise irgend ein (revolutionäres) Subjekt zu sein – deshalb geht es uns weniger darum, mit einer bunten Spaß-Parade zu gefallen, als vielmehr mit (symbolischer) Kritik überhaupt erstmal aufzufallen.
So wenig wie die Anzahl von Sonnenbrillen und schwarzen Kapuzenpullis in der Demo Gradmesser für Radikalität ist, so wenig interessiert uns zuerst ob eine Demo „Spaß macht“. Wenn wir Spaß haben wollen, gehen wir jedenfalls nicht demonstrieren.

…Ums Ganze!

Sicherlich bot der Opernball eine Gelegenheit, die Kritik am Bestehenden öffentlich zum Ausdruck zu bringen. Jedoch ist eben auch die Randale und alles andere um dieses Event herum kritisch zu sehen. Denn schließlich erschöpft sich der Inhalt nicht in der bloßen Tat, sondern muss auch aus emanzipatorischer Perspektive Hand und Fuß haben.
Und da es natürlich immer gut ist, in einem größeren Zusammenhang eine sinnvolle Meinung zu vertreten, fand für uns der Opernball im Rahmen des „…Ums Ganze!“ Bündnisses statt. Dieser bundesweite Zusammenschluss aus verschiedenen Antifagruppen trat mit einer Veranstaltungsreihe, deren vorläufiger Höhepunkt der G8-Gipfel in Heiligendamm war, erstmalig in die Öffentlichkeit.

Ein solches Ereignis soll genutzt werden, um eine Kapitalismuskritik auf Höhe der Zeit – möglichst über die linken Klüngelkreise hinaus – ins Gespräch zu bringen. Ob diese Möglichkeit bei den jeweiligen Ereignissen explizit wahrgenommen wurde, sei erst einmal dahingestellt. Trotzdem erachten wir es als notwendig, eine Alternative zwischen purem Aktionismus und elitärem Lesezirkeln zu schaffen.
Denn mittlerweile hat sich gezeigt, dass nicht nur der Antiimperialismus ein Auslaufmodell ist, sondern auch die – damals notwendige und richtige, heute aber häufig schlicht an der Realität vorbei gehende – Kritik der Antideutschen nicht mehr zeitgemäß ist. Theorie, und mag diese auch noch so kritisch sein, ist schließlich lediglich eine Annäherung an gesellschaftliche Realität. Denn auch wenn es nicht jeder Grundlage entbehrt, das Agieren im realpolitischen Rahmen zu kritisieren gelten doch auch die Worte von Grandmaster Adorno: „Es wäre eine schlechte und eine idealistische Abstraktheit, wenn man um der Struktur des Ganzen willen die Möglichkeit von Verbesserungen im Rahmen der bestehenden Verhältnisse bagatellisieren oder gar negativ akzentuieren würde (…) Ich würde sagen, daß gerade je mehr die gegenwärtige gesellschaftliche Struktur (…) so sehr den Charakter einer ungeheuerlichen zusammengeballten ‚zweiten Natur’ hat, daß so lange das der Fall ist, unter Umständen noch die armseligsten Eingriffe in die bestehende Realität eine viel größere, nämlich ich möchte fast sagen, symbolische Bedeutung haben, als ihnen eigentlich zu kommt.“

Uns geht es dabei nicht darum, den „goldenen Mittelweg“ zwischen Linkspartei und Bahamas zu finden, sondern – wie könnte es anders sein – ums Ganze; um eine Negation der bestehenden Verhältnisse, die sich nicht nur im Bescheidwissen erschöpft, sondern erkennt, dass Gesellschaft etwas Dynamisches ist, das es organisiert zu verändern gilt. Schließlich leben wir alle nur einmal und das sollte doch bitte so angenehm wie möglich sein. Aber – bevor man im blinden Aktionismus die Berge versetzt, muss man schon wissen wohin: Und da bleibt für uns nur ein Ziel: Kommunismus.*