Solidarität statt Sozialpartnerschaft: Für eine kämpferische und antikapitalistische Gewerkschaftsbewegung!


Zurzeit erleben wir eine Vielzahl von Arbeitskämpfen, die im internationalen Vergleich zwar noch immer recht handzahm, für die deutsche Normalität aber fast schon beeindruckend intensiv sind. Unabhängig von den konkreten Lohnforderungen, die zwar auf der einen Seite die gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht abdecken, auf der anderen Seite aber doch für hiesige Verhältnisse eher hoch sind, ist einiges ungewöhnliches passiert: Große Gewerkschaften stimmen ihre Kämpfe ab und bündeln sie, um ihre Wirkung zu erhöhen. Sie suchen das Bündnis mit ökologischen und feministischen Kämpfen am 8. März und beim Klimastreik. Die Forderungen nach Mindestgrenzen für Lohnerhöhungen (wie bspw. die geforderten 650 Euro bei der EVG) zielen auf eine tatsächliche Lohnerhöhung für diejenigen, die besonders wenig verdienen, ab. Daneben kommt es immer wieder zu Kämpfen um die Arbeitsbedingungen, besonders im Gesundheitssektor. Auch die Thematik von politischen und wilden Streiks gewinnt hierzulande wieder an nicht nur diskursiver Aktualität. So kommt es etwa bei den Lieferdiensten immer wieder zu Arbeitsniederlegungen, die nicht durch die großen Gewerkschaften angeordnet sind und sich den Regeln der üblichen Tarifauseinandersetzungen entziehen.

Aber auch die massive Hetze, die von der rechten und liberalen Presse gegen diese Kämpfe betrieben und bei der immer wieder lautstark für Einschränkungen des Streikrechts agitiert wird, ist ein guter Gradmesser für die Bedeutung dieser Kämpfe. So stark wie die Streikbewegung und der Wille dazu gerade ist, so massiv sind auch die Angriffe von Staat und Kapital auf diese. Und so pass es auch nur zu gut ins Bild, dass die Vertreter*innen der Regierung  wieder von Kürzungen im sozialen Bereich – aber keinesfalls bei der Aufrüstung – sprechen, genauso wie von angeblich notwendiger wöchentlicher Mehrarbeit, späterem Renteneintritt usw. Wir erleben dazu leider auch ­­­– beispielsweise beim Post-Streik – wie ein Arbeitskampf mit starken Forderungen angetreten wird, nur um dann sofort einzuknicken und in alte sozialpartnerschaftliche Muster zurückzufallen.

Es bleibt also spannend im Bereich der Arbeitskämpfe. Auch, weil dies zurzeit quasi die einzig relevanten Krisenproteste in Deutschland sind. Für die radikale Linke sollte es eigentlich selbstverständlich sein, dass hier auf allen Ebenen Solidarität gezeigt und sich beteiligt wird. Schließlich organisieren sich hier Menschen gemeinsam, um sich gegen ihre Ausbeutungsverhältnisse und die Angriffe des Kapitals auf ihr Leben zu wehren – und das wie gesagt in einer durchaus neuen Qualität, was auch mal ein wenig Hoffnung aufkommen lässt.

Wir sollten es als unsere Aufgabe verstehen, diese Kämpfe zu unterstützen, uns an ihnen zu beteiligen und die entstehenden Verbindungen zu ökologischen und feministischen Kämpfen weiter zu forcieren. Gleichzeitig gilt es aber immer, sowohl eine explizit antikapitalistische und kommunistische Perspektive in diese hineinzutragen als auch die reformistischen und sozialpartnerschaftlichen Teile der Kämpfe und Gewerkschaften für ihren unzulänglichen Ansatz zu kritisieren. Wir geben uns nicht zufrieden mit streng eingehegten, kaum kämpferischen Streikpraktiken, chronisch zu geringen und wenigen Forderungen, einem Fokus auf Lohn und Tarif, der die dringend nötige arbeitszeitliche Entlastung weitgehend ausblendet und Kämpfen, die letztlich nur denen von uns nützen, die nach den etwas besseren Spielregeln ausgebeutet werden. Wir wollen uns auch für demokratischere Gewerkschaftsstrukturen starkmachen, die Mitsprache von unten wirklich ermöglichen.

Deshalb rufen wir alle dazu auf, sich am Morgen des 1. Mais an einem offen auftretenden, antikapitalistischen und antiautoritären Block auf der DGB-Demo zu beteiligen, um sich solidarisch mit den aktuellen Kämpfen zu zeigen, das Bündnis mit den Streikenden zu suchen, aber eben auch, um für andere Formen der Kämpfe, für eine Organisation der Arbeiter*innen von unten und für eine antikapitalistische Perspektive zu werben.

Und uns muss klar sein: Auch wenn viele der großen Gewerkschaften sich gerade kämpferisch geben: Gerade die Gewerkschaftsspitzen sind nach wie vor stark mit der regierenden Sozialdemokratie verbunden. So wird gerade bei Verdi zur Abstimmung gebeten, wobei es so scheint, als würde die Gewerkschaftsspitze den Empfehlungen der Schlichtungskommission am liebsten direkt kleinbeigeben. Und auch wenn bei manchen Gewerkschaftsfunktionären ein Interesse an einer gewissen Umverteilung vorhanden sein mag, die aktuelle Gewerkschaftspolitik zielt trotzdem bei Weitem nicht auf eine tiefergehende Veränderung oder gar Überwindung der kapitalistischen Verhältnisse.
Wenn viele Linke gerade nach Frankreich blicken und sich hier ähnliche entschlossene Kämpfe wünschen, dann kann die Antwort nicht sein, auf die Erlaubnis der Gewerkschaftsbosse zu warten. Eine aktionistische Zuspitzung der Kämpfe wird nicht von oben ausgehen und nicht von Funktionären entschieden werden. Vielmehr liegt es am antikapitalistischen Spektrum, aufkommende Streiks nicht nur solidarisch zu begleiten, sondern diese aktionistisch auszuweiten und zuzuspitzen und die antikapitalistischen Stimmen in ihnen, die es durchaus gibt, stark zu machen und zu multiplizieren. 

Wenn Gewerkschaften sich also dazu entscheiden, an einem Tag das Land lahm zu legen, so gilt es für die radikale Linke, mit Blockaden, Besetzungen, etc. auch einen Teil dazu beizutragen. Und das eben auch ohne den Segen der Spitzen von DGB und Co, denn diesen wird es ohnehin nicht geben.
Um diese unversöhnliche und explizit antikapitalistische Perspektive zum Ausdruck zu bringen, rufen wir am 1. Mai auch mit zum „Strike Back“-Block auf der revolutionären 18 Uhr Demo auf.

Doch so wichtig es auch immer wieder ist, sich den herrschenden Verhältnissen entschlossen entgegenzustellen, so wichtig ist es auch, die Anknüpfung und Vermittelbarkeit zu konkreten Kämpfen zu suchen, statt nur noch an pseudo-radikalen Ritualen teilzunehmen, was zugegebenermaßen noch nie einfach war und auch immer wieder scheitern kann und wird. So soll an diesem Tag unsere Unversöhnlichkeit mit den gegebenen Verhältnissen, die Notwendigkeit einer widerständigen Praxis und unser Ziel einer kommunistischen Gesellschaft zum Ausdruck gebracht werden. Ein solches Event kann aber niemals ein Ersatz für reale gesellschaftliche Kämpfe sein.
Und ebenso ist es unerlässlich, die kapitalistischen Verhältnisse in ihrer Komplexität und Vielschichtigkeit anzuerkennen. Weder eine einfache Gegenüberstellung von ‚wir da unten‘ gegen ‚die da oben‘, noch ein Runterbrechen aller Konflikte auf das Schema des Kampfes zwischen Arbeiter*innen und Kapital kann hier der gesellschaftlichen Komplexität ansatzweise Rechnung tragen, geschweige denn eine unreflektierte Bezugnahme auf „die unterdrückten Völker“. 
Zwar ist der Klassenwiderspruch zwischen Lohnarbeit und Kapital das entscheidende Strukturmerkmal einer jeden kapitalistischen Gesellschaft, aber die Realität ist dennoch komplexer, unter anderem auch, weil rassistische und patriarchale Strukturen mit dem Kapitalismus verwoben sind, sich aber eben nicht allein aus diesem heraus erklären lassen und sich nicht auf ein antiquiertes Schwarz-Weiß-Klassenkampfschema reduzieren lassen, wie es immer wieder von orthodox-marxistischen Gruppen – und leider nicht nur diesen – im Rahmen ihrer alljährlichen 1.-Mai-Folklore propagiert wird. Umso erfreulicher, dass mit der Walpurgisnacht-Demo am 30.4. am Vorabend des 1. Mai noch eine explizit feministische Demo stattfindet.

So gibt es dieses Jahr in Frankfurt um den 1. Mai drei gute Gelegenheiten, mit verschiedenen inhaltlichen und praktischen Schwerpunkten für die befreite Gesellschaft auf die Straße zu gehen und unsere Unversöhnlichkeit mit den Verhältnissen zu zeigen. So wie es ist bleibt es nicht! Die Kunst für die Zukunft muss aber darin bestehen, diese Kämpfe nicht nebeneinander, sondern tatsächlich zusammenzuführen und abseits von ritualisierten Protestterminen spontan und unberechenbar gegen Staat und Kapital aktiv zu werden.

30.4: Walpurgisnachts-Demo „Gegen Kapitalismus und Patriarchat“ 19 Uhr, Willy-Brandt-Platz.
1.5: Offen auftretender, antikapitalistischer und antiautoritärer Block auf der DGB-Demo. 10:30, Hauptwache.
1.5: Strike-Back Block auf der revolutionären 1. Mai Demo, 18 Uhr, Willy-Brandt-Platz.