If worst comes to worst…
Die Anzeichen sind unübersehbar: Der „Islamische Staat“ führt einen Terrorfeldzug in Syrien und im Irak und wirbt Anhänger in deutschen Städten. Geopolitische Konflikte brechen nicht nur in der Ukraine auf, zugleich werden die Konflikte im Nahen Osten als Anlass für antisemitische Ausschreitungen und Anschläge in Europa genutzt. Es gibt ein Anwachsen des kulturellen Rassismus in den angeblichen Zentren von Demokratie und Freiheit während das deutsche Spardiktat munter weiter die sozialen Grundlagen der europäischen Gesellschaften auszehrt. Wo hin man auch schaut – die kapitalistische Welt scheint langsam aber sicher aus den Fugen zu geraten. Währenddessen verhindert die Logik von Staat, Nation und Kapital aber nötige Hilfe und mögliche Lösungen, weil sich in der Weltmarktkonkurrenz doch jeder selbst der Nächste, Menschenrechte im Zweifel nur störendes Beiwerk und die Feinde von heute schon morgen wieder nützliche Idioten sind.
Fire with Fire?
All diese Krisen sind nur Symptome eines Kapitalismus ohne Glücks- und Zukunftsversprechen. Immer mehr Menschen werden als gesellschaftlich überflüssig und ohne Perspektive aussortiert und bilden eine wachsende Basis für reaktionäre Bewegungen aller Art. Doch dieser Situation wird von Seiten der „demokratischen Mitte“ nicht mit einer offenen Auseinandersetzung über die gesellschaftliche Ordnung, sondern mit einer autoritären Formierung begegnet. Law-and-Order-Politiker aller Parteien sind sich einig: Gegen „Extremismus aller Colour“ sollen mehr Polizei und Geheimdienste mit noch schärferen Befugnissen vorgehen und der islamische Fundamentalismus soll allen Ernstes mit einem mehr an staatlichem Rassismus (Ausbürgerungen, Abschiebungen) bekämpft werden. So als könnte man reaktionäre Ideologien dadurch loswerden, dass man einige ihrer VertreterInnen abschiebt und als würde der religiöse Fundamentalimus nicht gerade aus der realen Diskriminierung von MigrantInnen seine „Beweise“ für die Heuchelei von Aufklärung und Menschenrechten ziehen. Auf zynische Weise abgerundet wird das dadurch, dass zahlreiche Menschen, die vor dem Terror des IS geflüchtet sind, dann aufgrund der Abschottung Europas im Mittelmeer ertrinken. Die Neonazis, rechten Hools und „besorgten Bürger“ von „Hogesa“ sowie die Rassisten und christlichen Fundamentalisten in Nadelstreifen von der AfD sind insofern nur die Begleitmusik eines viel breiteren gesellschaftlichen Rechtsrucks.
If only one remembers to turn on the light
Doch es gibt Ansatzpunkte für Hoffnung. Denn die falsche Frontstellung von Fundamentalismus vs. Rassismus ist nicht nur Ausdruck der global nachlassenden Integrationsfähigkeit von Staat und Kapital. Sie wird an vielen Orten in Europa und darüber hinaus auch durch Projekte der Selbstorganisation und der Solidarität über alle Grenzen hinweg durchbrochen. Eine zentrale Rolle kommt dabei dem Projekt der demokratischen Selbstverwaltung in Rojava (Syrien) und den kämpfenden Gruppen PKK und PYD zu. Diese verteidigen die selbstverwalteten Strukturen gegen die Angriffe des deutschen Nato-Partners Türkei wie auch der religiösen Fundamentalisten. Das demokratische Experiment in Rojava hat dabei nicht deswegen eine Leuchtturmfunktion, weil dieses Projekt widerspruchsfrei wäre oder hier gar endlich die folkloristischen Träume „nationaler Befreiung“ wahr würden. In Rojava wird vielmehr nur versucht das einfachste zu beginnen, dass heute so schwierig zu machen scheint: Geschlechtergerechtigkeit, Religionsfreiheit, demokratische Selbstverwaltung und eine Politik jenseits von nationalistischer Zurichtung und staatlicher Gewalt. Dass dies inzwischen wesentlich von einer Organisation wie der PKK, getragen wird, die früher zumindest teilweise für andere politische Ziele, wie z.B. die Schaffung eines Nationalstaates eintrat, kann man paradox finden – ein Grund zum Raushalten oder gar zur Entsolidarisierung ist es nicht.
The only way out is through
Das schäbige Verhalten aller Großmächte und regionalen Staaten, die erst durch massiven Druck dazu bewegt werden konnten, das Mindeste zu tun um etwa die Stadt Kobane nicht den (mit westlichen Waffen) aufgerüsteten Mörderbanden des IS zu überlassen, hat bestätigt, was die antinationale Bewegung schon lange sagt: Staat und Nation sind ein Herrschaftszusammenhang dem es um die Aufrechterhaltung einer menschenfeindlichen Ordnung geht – und dem niemals zu trauen ist. Wie immer vorne dabei bei der jüngsten Schweinerei war die deutsche Regierung, die großzügig nur bei Waffenexporten an Diktaturen wie Saudi-Arabien ist und ansonsten die PKK und andere kurdische Gruppe nach wie mit massiver Repression überzieht, überwacht und verbietet. Auch um den strategischen Partner Erdogan nicht zu vergrätzen. Es mag nicht beabsichtigt sein, aber konkret bedeutet dieses Vorgehen der deutschen „Sicherheits“behörden und Innenminister nichts anderes als Schützenhilfe für den IS.
Wenn wir die antinationale und antiautoritäre Linke dagegen nun zur praktischen Solidarität und mithin zum Kampf gegen die Repression gegenüber der kurdischen Bewegung aufrufen, dann nicht, weil wir plötzlich alles in der teilweise autoritären Geschichte der PKK gut oder auch nur verständlich finden. Wir tun dies vielmehr, weil es auch an uns allen liegt, ob die Kämpfe für demokratische Selbstverwaltung in Kurdistan Teil eines umfassenderen Kampfes um Emanzipation und Autonomie für die Menschheit insgesamt werden können. Eine Aufhebung des PKK-Verbotes und ein Ende der staatlichen Repression gegen sie würden hierzulande die Bedingungen für eine Unterstützung der demokratischen Selbstverwaltung in Rojava wie auch für eine offene Auseinandersetzung darum wesentlich verbessern. Insofern ist auch das nur das Mindeste. Die Erfahrungen aus den gemeinsamen Aktionen, in Hannover und Frankfurt, Düsseldorf und Berlin, Hamburg und Köln, mit kurdischen und anderen migrantischen GenossInnen in den letzten Monate haben jedenfalls gezeigt, dass es sich lohnt, die Zusammenarbeit zu suchen. Selbst wenn es unwahrscheinlich scheinen mag, dass es letztlich gelingt – damit eine emanzipatorische Perspektive gegen den herrschenden Wahnsinn überhaupt eine Chance hat, gilt es selber aktiv zu werden. Denn gegen die falschen Alternativen von nationalistischer Abschottung, staatlicher Unterdrückung und religiöser Zurichtung hilft nur, einen Weg zu öffnen, den es bisher noch nicht gibt. Geschichte ist machbar, beweisen wir es.
Gegen staatlichen Rassismus, Antisemitismus und religiösen Fundamentalismus: Die autoritäre Formierung durchbrechen!
Weg mit dem Verbot der PKK! Biji antinationale Solidarität!
2 x Pflichttermine:
Kommt am 29.11. auf die überregionale Demonstration „Gegen das PKK-Verbot“ in Frankfurt/M.
Kommt am 6.12. in den antinationalen&antiautoritären Block auf der bundesweiten Demonstration gegen die Innenministerkonferenz in Köln.
UnterstützerInnen:
Kritik & Praxis – radikale Linke [F]rankfurt, Antifa Kritik & Klassenkampf