No Alternative!
Nachbereitungspapier der Gruppe kritik&praxis [f]rankfurt zur Kampagne „Nationalismus ist keine Alternative!“
Als mitorganisierende Gruppe hier unsere Auswertung, die die Ergebnisse unserer internen Diskussion und unserer Diskussionen mit anderen beteiligten Gruppen und Einzelpersonen einer größeren Öffentlichkeit zugänglich machen soll. Die Kampagne „Nationalismus ist keine Alternative“ ist beendet – die Auseinandersetzung mit der „Alternative für Deutschland“ (AfD) und anderen rechten Versuchen, Stimmungen in der Gesellschaft aufzugreifen, muss weitergehen. Wir hoffen, dass dieses Papier dazu beitragen kann.
Ausgangslage
Im Zuge der aktuellen Krise des Kapitalismus kam es vor allem in Südeuropa zu einer Abfolge von Streiks, Platzbesetzungen und sozialen Aufbrüchen. In Nordeuropa bereitete die autoritäre Krisenpolitik der Troika dagegen vor allem den Nährboden für RechtspopulistInnen. Sie schüren die Angst vor dem, was schon vor Jahren vorgebetet wurde – angeblichen „Pleitegriechen“, „kriminellen Armutseinwanderern“ und der „Diktatur in Brüssel“.
In Deutschland gibt es bis auf die CDU/CSU noch keine starke parlamentarische Vertretung rechter und zum Teil offen rassistischer Positionen im Bundestag. Anfang 2013 ist die „Alternative für Deutschland“ angetreten, um diese Lücke zu füllen. Mit einem klar nationalistischen Kurs und ihrer bürgerlich-rechten Eurokritik konnte die AfD ein durch Angela Merkel nicht mehr vertretenes Spektrum ansprechen und unter ihrem Dach vereinen. Der autoritären Parteiführung um Bernd Lucke gelang das, woran bisher viele andere rechte Parteien gescheitert sind: die Etablierung eines rechten Sammelbeckens zwischen CDU und NPD. Ob rechter CDUler, neoliberale Geschäftsfrau, fundamentalistischer Sektenangehöriger oder verkappte Faschistin – sie alle finden bis jetzt ohne allzu große Konflikte ihren Platz in der AfD.
Die AfD stand zwar unter besonderer Beobachtung und im medialen Diskurs kam auch immer wieder die Frage auf, ob sie nicht doch rechtsradikal ist, aber durch eine geschickte Diskursstrategie inklusive öffentlicher Distanzierung von Nazis gelang es der Parteiführung weitgehend, sich als Projekt der „Mitte“ darzustellen. Doch die vielen Stimmen für eine Partei wie die „Alternative für Deutschland„ bedeuten einen neuen Druck von Rechts auf die etablierten Parteien. Ob Aufenthaltsgesetzgebung, Arbeiter*innen- oder Erwerbslosenrechte – eine Diskursverschiebung nach rechts geht nicht an den anderen Parteien vorüber: Um bestimmte Wähler*innenschichten weiterhin anzusprechen gehen sie tendenziell einen Schritt in dieselbe Richtung.
Und auch wenn die CDU-Führung noch beteuert, dass es keine Zusammenarbeit mit der AfD geben werde – der rechte Flügel bereitet bereits die ersten Annäherungen vor; schließlich ist die wirtschaftsliberale Juniorpartnerin FDP von der Bildfläche verschwunden. Auf lange Sicht wird es also deutlich wahrscheinlicher, dass sich rechte BrandstifterInnen wie Beatrix von Storch auch mal in regierenden Positionen wiederfinden.
Zielsetzungen
Das gute Abschneiden der „Alternative für Deutschland“ bei der Bundestagswahl 2013 hat für viel Diskussion gesorgt, wie das Phänomen zu bewerten sei. Für uns und andere war schnell klar, dass die AfD nicht die Kriterien einer klassisch neofaschistischen Partei erfüllt, sondern mit dem Begriff des Rechtspopulismus besser charakterisiert ist. Gerade weil die Kategorisierung als „Nazis“ zu kurz greift, war es wichtig, die Kampagne anhand der von AfD vertretenen Inhalte aufzubauen. Ihr – mal mehr, mal weniger – offener Rassismus, Sexismus und Nationalismus sollte im Mittelpunkt der Kritik stehen. Diese Aufklärungsarbeit sollte es der AfD zumindest ein bißchen schwerer machen, auf Stimmenfang zu gehen. Nachdem die AfD bei der Bundestagswahl kaum Gegenwind aus der Linken bekommen hatte, sollte die Kampagne außerdem hier für die AfD sensibilisieren und allen nationalen Krisenlösungen eine klare Absage erteilen.
Der Spagat zwischen den unterschiedlichen Zielgruppen wurde versucht aufzulösen, indem die Kritik einerseits in einem längeren Aufruf ausgebreitet, andererseits in leicht verständliches Aufklärungsmaterial (Infoblatt, Aufkleber und Social-Media Kampagne) verpackt wurde. Damit sollte antifaschistischen Gruppen Werkzeug und ein Kampagnendach geboten werden, um selber aktiv zu werden.
Neben der Kritik an der AfD war die Kampagne explizit auch gegen die herrschende Troika-Politik ausgerichtet, um nicht Gefahr zu laufen, die autoritäre Krisenpolitik gegen ihre rechten KritikerInnen zu verteidigen.
Weil viele beteiligte Gruppen sich seit Jahren aktiv an linken Krisenprotesten beteiligen und im Blockupy-Prozess verankert sind, wurde die Kampagne auch unter dieses Label gestellt. Die Idee dabei war, das antifaschistische Spektrum, das bisher zu oft kaum (wahrnehmbar?) an den Krisenprotesten beteiligt war und das Blockupy-Spektrum wenigstens unter dem Kampagnendach zusammen zu bringen.
Unser Interesse als Gruppe ist es dabei natürlich auch, dass die Krisenproteste sich weiterhin klar gegenüber reaktionären, nationalen Krisenlösungen positionieren.
Was ist gelaufen?
Weit mehr als fünfzig Aktionen und Veranstaltungen in rund vierzig Städten, viele Texte zur Kritik der AfD, eine relativ große Medienresonanz und vieles mehr: Das Ausmaß der positiven wie negativen Resonanz war überraschend gut. Ob Eier gegen Henkel und Konsorten, die Störung von Wahlkampfständen oder inhaltliche Veranstaltungen zur AfD – die Vielzahl von Aktionen und deren Vielfalt hat uns sehr gefreut!
Die Kampagne „Nationalismus ist keine Alternative“ war das richtige Thema vor der Europawahl. Label und Flyertext wurden vielfach aufgegriffen und an die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort angepasst – ohne diese lokalen Initiativen wäre die Kampagne nicht gewesen. Aber so gab es Aktionen von Hamburg bis Wien, wo sich z.B. hunderte Antifaschist*innen einem Aufmarsch der nationalistischen „Identitären Bewegung“ in den Weg stellten. Außerdem gab es in einigen Städten neue Bündniskonstellation, die sich dem Thema annahmen. Wir hoffen, das setzt sich fort!
In Frankfurt haben wir uns mit einem lokalen Bündnis exemplarisch einen Infostand und eine öffentliche Veranstaltung herausgesucht, um in den Diskurs um die AfD und in ihren Wahlkampf zu intervenieren. Die Konzentration auf wenige Termine, um diese dann aber richtig anzugehen und auf entsprechende Resonanz hinzuarbeiten, haben wir dem kapazitätenraubenden Versuch vorgezogen, wirklich jeden Auftritt der AfD stören zu wollen.
Fazit
Dass die AfD mit sieben Prozent ins Europa-Parlament eingezogen ist und damit mindestens so gut abschnitt, wie ihr das vor Beginn der Kampagne vorhergesagt wurde ist zunächst irritierend. Wer sich anschaut, was im Vorfeld der Europawahl passiert ist, wird allerdings zu dem Schluss kommen müssen, dass das relativ gute Abschneiden gegenüber der Bundestagswahl weder überraschend kam, noch, dass es bedeutet, die Kampagne hätte ihr Ziel verfehlt. In absoluten Wählerzahlen relativiert sich zudem der Erfolg der AfD zumindest ein wenig: Mit rund zwei Millionen Stimmen erhielt sie ziemlich genau so viele wie bei der Bundestagswahl 2013 – nur die Prozentzahl sah anders aus.
Das Ergebnis der Europawahl und der prognostizierte Einzug der AfD in die Länderparlamente von Sachsen und Thüringen zeigt aber, dass die AfD weiterhin auf dem besten Wege ist, sich als Partei rechts von CDU und CSU zu etablieren. Deshalb stellt sich auch nach der Kampagne die Frage: Wie weiter umgehen mit der AfD?
Eine Antifa-„Feuerwehrpolitik“, wie sie gegenüber den Auftritten von NPD und Republikanern in der Regel gefahren wird, scheint uns nicht der Erfolg versprechendste Ansatz zu sein. Nicht nur, dass es bis auf Weiteres keine (bundesweiten) Wahlkampfveranstaltungen mehr geben wird, die wir stören können; grundsätzlich stellt sich – ganz abgesehen davon, wer das alles machen sollte – die Frage, ob flächendeckende Störaktionen bis ins letzte Dorf langfristig das geeignete Mittel sind, um die AfD zu isolieren und in die Defensive zu bringen. Nicht dass ganz auf solche Störaktionen verzichtet werden sollte, nur müssen sie angesichts der Größe und Breitenwirkung der AfD vermutlich auch weiterhin gezielt organisiert und in einen größeren Kontext eingebunden werden.
Die Parteien der „Mitte“ sind für rechte Positionen offen; insbesondere dann, wenn sie von rechts unter Druck geraten. Es wäre deshalb falsch, im Falle der AfD zu versuchen, ein breites Bündnis zu schließen, das sich zum Ziel setzt, die sogenannte „Mitte der Gesellschaft“ gegen rechts zu verteidigen. Aussichtsreicher scheint es, zu versuchen, CDU/CSU, insbesondere aber SPD, Grüne und Linkspartei von links unter Druck zu setzen und so zu verhindern, dass sie sich weiter nach rechts bewegen. Dazu braucht es auch eine offensive Auseinandersetzung mit rechten Positionen in diesen Parteien, vor allem aber mit der autoritären Konkurrenz- und Krisenpolitik von CDU/CSU, SPD und Grünen, die mit der Agenda 2010 und der entsprechenden Krisenpolitik in Europa das Feld für den rechten Populismus mit bereitet haben.
Um die gesellschaftliche Stimmung nach links zu verschieben ist aber mehr notwendig, als mit einer noch so richtigen Kritik an die „Mitte“ und ihre Parteien heranzutreten und auf eine irgendwann eventuell einsetzende Erkenntnis zu warten. Wenn es nicht gelingt, fortschrittliche Positionen in soziale Konflikte hineinzutragen und in sozialen Bewegungen zu etablieren, wird dieses Unterfangen wenig Aussicht auf Erfolg haben. Wer soziale Auseinandersetzungen gewinnen will, tut gut daran dem Populismus von rechts emanzipatorische Perspektiven entgegenzusetzen.
In diesem Sinne muss sich linker Krisenprotest weiterhin mit dem Rechtspopulismus und der„Eurokritik“ der Rechten auseinandersetzen; und bei der Beschäftigung mit dem Rechtspopulismus kommt man anderseits nicht um eine eigene Kritik an der Krisenpolitik der Troika herum.
Die europäischen Krisenproteste – wie etwa gegen die Anfang 2015 geplante Eröffnung der neuen Europäischen Zentralbank in Frankfurt – sind ein Feld, auf dem sich der Kampf gegen das Erstarken der europäischen Rechten, gegen Rechtspopulismus und Nazis, mit einer linksradikalen Praxis verbinden lässt. Hier kann eine antifaschistische Linke in die Offensive kommen, während sie sich gleichzeitig vor Ort mit progressiven Inhalten und Konzepten einmischt und verhindert, dass rassistische, sexistische und nationalistische Positionen in sozialen Auseinandersetzungen Fuß fassen.
There is an alternative!