*** Kommt zur Kundgebung der Seebrücke am 5.10.24 um 14:00 Uhr auf dem Römerberg ***
Das Thema Migration ist längst zum fast alles dominierenden Thema der politischen Debatte geworden. Von der radikalen Rechten über die bürgerliche Mitte bis hin zu den Grünen scheinen sich fast alle einig: Die Probleme dieser Welt können ganz einfach runtergekürzt werden, Problem sollen Migrant*innen sein! Migration müsse daher um jeden Preis verhindert werden, die Staatsgrenzen gewinnen wieder an Bedeutung und Kontrollen sollen Sicherheit befördern. „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“, weiß Olaf Scholz ja schon seit längerem – ganz egal wohin. Wenn es um Abschiebungen geht, ist man sich nicht mal für Verhandlungen mit den eigentlich verhassten Taliban zu schade.
Das deutsche und europäische Grenzregime war schon immer mörderisch, doch die Verschärfungen und Militarisierung in der letzten Zeit, nicht nur bemerkbar im Diskurs, sondern auch durch reale Maßnahmen, sind nocheinmal von neuer Qualität. In den neuen Gesetzen unter dem verharmlosenden Deckmantel der „Asyl- und Sicherheitspakete“ findet sich die Verwirklichung des Rassismus der Mitte, zum Beispiel in Form effektiverer Abschiebungen oder Grenzkontrollen an deutschen Außengrenzen zu allen angrenzenden Staaten.
Leistungskürzungen und Bezahlkarten sollen ihr Übriges tun und das Leben für Geflüchtete so schwer wie nur möglich machen. Und für die EU-Außengrenzen wird die „Grenzschutzagentur“ Frontex immer weiter ausgebaut, trotz jeder Menge dokumentierter Pushbacks und Ertrunkenen in Mittelmeer, die diese Behörde zu verantworten hat. Das 20-jährige Bestehen dieses Scheißvereins ist nun wirklich kein Grund zu feiern, sondern nur ein weiterer Anlass für uns, um gegen diese ganzen Entwicklungen auf die Straße zu gehen!
Eine nennenswerte Gegenposition zu dem ganzen rassistischen Mist auf der Straße oder in der öffentlichen Debatte ist so gut wie nicht wahrnehmbar, auch die Linke reagiert bisher kaum auf diese Entwicklung.
Dabei geht es um vieles:
In erster Linie um diejenigen, die fliehen müssen und direkt oder indirekt von der ausbeuterischen und zerstörerischen Kraft des globalen Kapitalismus betroffen sind – und dabei ist es uns herzlich egal, ob jemand vor Krieg, Verfolgung oder einem Leben in Armut flieht. Ganz anders lauten die Stimmen aus Regierung und Gesellschaft: Anstatt auf Hilfe und Solidarität zu setzen, lässt man Menschen, die nach Europa fliehen müssen, lieber im Mittelmeer ertrinken oder fängt sie schon an der Grenze ab, um sie möglichst schnell zurückzuschicken. Und wenn das nicht geht, halt irgendwo anders hin, ganz egal zu welchem Preis oder unter welchen unmenschlichen Umständen.
Dass Menschen vielleicht auch selbst eine Entscheidung darüber fällen könnten, wohin sie fliehen oder am Ende sogar, wo sie leben möchten, wäre eigentlich das einzig Naheliegende, scheint in der rassistischen Stimmung aber so undenkbar wie schon lange nicht mehr. Das wird umso brisanter, als die aktuellen Fluchtbewegungen aller Wahrscheinlichkeit nach nur eine leichte Ahnung von dem sind, was die nahe Zukunft bringen wird. In Anbetracht der drastischen Zuspitzung geopolitischer Konflikte und einer Allgegenwärtigkeit von Krieg und Terror, ebenso wie der sich immer drastischer ausdrückenden Klimakatastrophe, werden in Zukunft noch viel mehr Menschen zur Flucht gezwungen sein.
Die Antworten der rechten, aber auch liberalen Regierungen Europas auf diese (kommenden) Probleme der Welt sind Abschottung, Grenzkontrollen und rassistische Stimmungsmache. Es sind die menschenverachtenden Konsequenzen der Logiken von Rassismus, Nationalismus und globaler Staatenkonkurrenz. Denn: Auch die liberalen Kategorien ihrer politischen Begründungen (z.B. „den Standort Deutschland fördern“, Wettbewerb und Konkurrenz antreiben oder irgendwelche (Un-)Sicherheitsdebatten) funktionieren nach den gleichen Prinzipien von Eingliederung in das und Ausgrenzung vom nationalen Kollektiv – Nährboden für offen rechte und autoritäre Dynamiken. Schnell geht es so nicht mehr nur um Geflüchtete, sondern generell um Migration und eigentlich auch um das scheinbar eigene – die deutsche Nation. Letztendlich werden so ihre Interessen – also eigentlich: die der dominanten Teile des deutschen Kapitals – über die des Rests der Welt gestellt und forcieren so weiter eine Welt, die auf Abschottung, Konkurrenz und Ausbeutung beruht.
Der aktuelle rassistische Diskurs wurde nochmals befeuert durch den Anschlag in Solingen. Er gibt sich so als Abwehr auf eine islamistische Bedrohung, bedient in Wahrheit aber nur diese nationalistische und rassistische Logik. Statt sich mit dem Islamismus als globales Phänomen zu befassen (das auch die radikale Linke endlich (wieder) ernst nehmen sollte), wird versucht, sich der Islamist*innen einfach zu entledigen: Soll sich doch der Rest der Welt um sie kümmern. Das ist nicht nur völlig unsolidarisch, sondern verkennt die Entstehungsgeschichte dieser Bewegungen, die durch die westlich/kapitalistische Ausplünderung des Globalen Südens mindestens begünstigt wurden. Es verkennt noch mehr, wie die rassistische Politik diese Bewegungen noch befeuert – was ja auch offensichtlich das Kalkül hinter solchen Anschlägen ist. Schließlich entlarven sich die herrschenden Stimmen als unverhohlen rassistisch, wenn sie einfach Islamist*innen und Migrant*innen in einen Topf werfen, alle Migrant*innen, alles Fremde abwerten und für die hausgemachten sozialen und ökologischen Probleme verantwortlich machen. Diese Zuschreibung ist nicht nur unhaltbar, sie verkennt auch, dass ein nicht unwesentlicher Teil dieser Menschen vor gerade jenen Islamist*innen geflohen ist.
Der rassistische Diskurs in Deutschland ist natürlich auch nicht zu verstehen ohne den Aufstieg der AfD und die Unfähigkeit der bürgerlichen Mitte, auf diesen zu reagieren. Teils wohl aus eigenem Rassismus, teils aus Unwillen und Unvermögen, die tatsächlichen gesellschaftlichen Missstände im Kapitalismus – wie z.B. Armut und Ungleichheit – beim Namen zu nennen, übernehmen sie die rassistischen Narrative der Faschist*innen. Sie sind Ausdruck und Treiber des Rechtsrucks. Indem Migration zu dem Problem stilisiert wurde, als das es gerade gehandelt wird, wird es der AfD nur noch leichter gemacht, die Themen in ihrem Sinne zu setzen – wirken tut die AfD so schon längst.
Bei all dem ganzen Mist vergessen wir aber auch schnell, worum es eigentlich gehen sollte: Um die Vorstellung von einer Welt, die nicht mehr durch Grenzen geteilt ist und in der sich nicht alles und jede*r voneinander abschottet, so gut es geht. Um die Idee, von globaler Bewegungsfreiheit und der Möglichkeit, selbst zu wählen, wo man es auf diesem Planeten am besten aushält. Menschen mit europäischem Pass können sich in weiten Teilen der Welt zumindest relativ frei bewegen. Für den Großteil der Menschheit – also alle die, die zufällig nicht in einem der kapitalistischen Zentren geboren sind – ist das völlig ausgeschlossen. Und die gesamtgesellschaftliche Tendenz zeigt in Richtung von immer mehr Abschottung und unüberwindbaren Grenzen.
Wie so oft ist es die Aufgabe der radikalen Linken, bürgerliche Rechte und Freiheiten nicht nur vor den Angriffen von Rechts, sondern auch vor denen aus der bürgerlichen Mitte heraus zu verteidigen und sie gleichzeitig in ihrer Begrenztheit zu erkennen und für ihre Überwindung einzutreten! In diesem Sinne müssen wir die Angriffe auf das Asylrecht, die Grenzschließungen, die Kriminalisierung der Seenotrettung und was noch alles gerade an Mist passiert stoppen und rassistische Institutionen wie Frontext abschaffen. Und gleichzeitig eine emanzipatorische Perspektive einer Welt ohne Grenzen, Staaten und Nationen wieder stark machen – in den Köpfen, im Diskurs und auch real erfahrbar in solidarischen Projekten und Strukturen!
Refugees Welcome!
Rassismus und Nationalismus sind keine Alternative!
Für die solidarische Gesellschaft!