In Debatten über die Coronapandemie und ihrer staatlichen Bearbeitung ist oft von der Ökonomisierung des Gesundheitswesens die Rede. Sie wird als Ursache für den Personalmangel in der Pflege, kaputtgesparte Krankenhäuser, den Rückbau der gesundheitlichen Infrastruktur und vieles mehr gesehen. Auch vor Corona war in vielen Arbeitskämpfen und Auseinandersetzungen von einer Ökonomisierung des Gesundheitsweisen die Rede. Doch was ist mit dem Begriff eigentlich gemeint und wie lässt er sich historisch einordnen? In einer Veranstaltungsreihe wollen wir die Ökonomisierung des Gesundheitswesens aus verschiedenen Perspektiven nachgehen und auch über emanzipatorische Alternativen diskutieren.
Alle Veranstaltungen sind Online. Der Zugang wird zeitnah hier veröffentlicht.
2.10. // 19:00 Uhr: Die Ökonomisierung des Gesundheitswesens in der BRD (Nadja Rakowitz, Krankenhaus statt Fabrik)
Was heißt Gesundheit im Kapitalismus und welche Interessen haben sich in diesen Begriff eingeschrieben? Geht es kapitalistischer Gesundheitspolitik wirklich nur darum, die Arbeitskraft produktiv zu halten? Wie vollzieht sich die Ökonomisierung des Gesundheitswesens in der BRD seit den 1980er Jahren? Können wir uns eine rationale Gesundheitspolitik im Kapitalismus vorstellen und welche historischen Alternativen gab es?
17.10 // 19:00 Uhr: Arbeiten in der neoliberalen Pflegefabrik (Robin Mohan)
Wie wirken sich Ökonomisierungsprozesse im Gesundheitswesen auf den Arbeitsalltag des Pflegepersonals aus? Am Beispiel der Umstrukturierung der Krankenhäuser und der Pflege wollen diskutieren, was die Ökonomisierung des Gesundheitswesen für die Angestellten bedeutet und wie sich diese Prozesse im Kontext von Kapitalismus und Patriachat verstehen lassen.
Machtverhältnisse in der globalen Gesundheitspolitik mit Anne Jung (medico international)
12.11 // 19:00 Uhr:
Die Vielzahl von Impfallianzen, nationalen und bilateralen Vorschlägen, Maßnahmen, Initiativen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und mittendrin die von Gewinninteressen geleitete Pharmaindustrie: Im pandemischen Geschehen entfaltet eine Politik seine tödliche Wirkung, die seit Jahrzehnten das Recht auf Gewinn für Unternehmen gegen die Wahrung der Menschenrechte absichert. Diese Ordnung wird gegen das Menschheitsinteresse nach den Zugang zu einem Impfstoff verteidigt. Das führt zu einem Wiederaufleben der überwunden geglaubten Zweiteilung der Welt in Nord und Süd in einer Zeit, in der ein globaler Ansatz so wichtig wäre wie selten zuvor.
Doch warum ist das so und wie funktioniert überhaupt die Verteilung von Impfstoffen? Welche Rolle spielen Patente in diesem Verfahren? Und warum gelingt es trotz einer globalen Gesundheitsorganisation wie der WHO nicht, medizinische Versorgung gerechter zu organisieren? Und welche sekundären Folgen hat die Pandemie in Ländern des Globalen Südens oder in den Lagern für Geflüchtete an den europäischen Außengrenzen?
Anne Jung ist Gesundheitsreferentin bei medico international und spricht über gute Ideen aus dem globalen Süden, wie ein Impfstoff gerecht verteilt werden könnte und darüber, warum Patente auf Arzneimittel tödlich sein können.